Zwei Jahrzehnte Frauenstimmrecht

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Am 30. April 1989 wurde im Ring zu Hundwil das Frauenstimmrecht angenommen. Bild: sf.tv
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Die Mutter macht Politik, anstatt sich um die Kinder zu kümmern. Abstimmungsplakat aus Ausserrhoden. Bild: wochenschau.ch

Veranstaltungen

16. Juni, 19.30 Uhr, Kino Rosenthal in Heiden und 29. Juni, 17.00 Uhr, Cinetreff in Herisau, "Frauenbilder"

23. Oktober, 17.00 Uhr, Vorträge und Diskussion im Restaurant Bären, Hundwil, mit Gästen

Zwanzig Jahre sind es her, seit in Appenzell Ausserrhoden das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Verschiedene Veranstaltungen sollen daran erinnern. Ein kurzer Blick in die Geschichte.

 

Cornelia Forrer

11:05:2009

 

Die Sowjetunion kennt es seit bald hundert Jahren, Österreich führte es 1918 ein und Frankreich und Italien folgten am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Frauen zu Hause die Stellung halten mussten, während die Männer in Kriegsdiensten waren. Wer sich aber schwer tat mit dem Frauenstimmrecht, waren lange die Schweizer. Doch gerade in unserem Land begann der Kampf schon 1886, als Zürcherinnen anlässlich einer kantonalen Verfassungsrevision ihr Begehren öffentlich machten. Sie liessen sich von der Ablehnung nicht abschrecken und gründeten vier Jahre später den Schweizerischen Arbeiterinnenverband als Dachorganisation der 1880 gegründeten Arbeitnehmerinnenvereine. 1893 forderten die Arbeitnehmerinnen das Frauenstimmrecht, gefolgt von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, die in ihrem Parteiprogramm 1904 das gleiche Begehren äusserte, was 1912 als parlamentarischer Vorstoss im Grossen Rat des Kantons St. Gallen wiederholt wurde.


Ostschweizer Rollen
Die Ostschweizer und Ostschweizerinnen spielten auf dem Weg zum Frauenstimmrecht auch später tragende Rollen, sowohl bei kantonalen Volksabstimmungen 1919 und 1921 als Vorreiter, als auch 1971 wieder als Gegner, als die Kantone St. Gallen, Glarus, Thurgau und die beiden Appenzell eine teilweise erhebliche Nein-Mehrheit zu verzeichnen hatten. Die überwältigende Annahme von 621'109 (66 %) zu 323'882 (34 %) Stimmen konnte aber auch durch die ablehnende Haltung der Ostschweizer Kantone nicht mehr abgewendet werden. Auffallend ist übrigens wieder, dass damals der Kanton Schaffhausen mit einer Ja-Stimmenmehrheit von 57 Prozent gleich auch dem Frauenstimmrecht auf Kantons- und Gemeindeebene zustimmte, zusammen mit zwei Westschweizer Kantonen und dem Aargau.


Der lange Kampf für das Frauenstimmrecht fand nur wegen der unermüdlichen Bestrebungen des Verbandes für Frauenstimmrecht SVF, des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, des Evangelischen Frauenbundes und des Bundes Schweizerischer Frauenorganisationen BSF ein gutes Ende. 1957 weigerte sich beispielsweise der BSF, neue Pflichten zu übernehmen, ohne dass neue Rechte für die Frauen eingeräumt würden und verhinderte damit die Einführung eines Zivilschutzobligatoriums für Frauen. Die zweite Ausstellung über Frauenarbeit (SAFFA) im Jahr 1958 in Zürich machte im Vorfeld auf die Volksabstimmung zum Thema, wie wertvoll die Mitarbeit der Frauen in der Wirtschaft ist. Man verzichtete bewusst auf einen lauten Auftritt und die Erwähnung des Frauenstimmrechtes, legte allerdings das Buch "Frauen im Laufgitter: Offene Worte zur Stellung der Frau" auf - eine bitterböse Situationsanalyse der Juristin Iris von Roten, die einen nationalen Skandal auslöste. Viele Frauen und Frauenverbände distanzierten sich nun und einige sahen gar einen Grund, das Frauenstimmrecht erst recht abzulehnen.


Endlich aufatmen
Wichtige Eckdaten im Kampf zum Frauenstimmrecht sind auch der Beitritt 1962 zum Europarat und die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ein Vorbehalt bezüglich des Frauenwahlrechts war damals die Folge, so dass sich der Bundesrat entschloss, mit einer erneuten Volksabstimmung im Februar 1971 Klarheit zu schaffen. Dieses Mal schien die Annahme des Frauenstimm- und -wahlrechts wahrscheinlich, denn die Gegner hielten sich zurück, um die zukünftigen Wählerinnen nicht von Beginn weg zu verärgern. Bei den Nationalratswahlen vom 31. Oktober 1971 wurden denn auch elf Frauen gewählt, was einem Schnitt von 5,5 Prozent entsprach.


Im Fürstentum Liechtenstein konnten die Frauen erst nach dem dritten Abstimmungsanlauf aufatmen und wurden am 1. Juli 1984 endlich den männlichen Staatsbürgern gleichgestellt. Appenzell Ausserrhoden benötigte weitere fünf Jahre Zeit, bis am 30. April 1989 an der Landsgemeinde dem Frauenstimmrecht und Frauenwahlrecht zugestimmt wurde. Erst am 25. März 1990 gab das Bundesgericht einer Klage von Frauen aus Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt. Am 27. November gleichen Jahres führte der Appenzeller Halbkanton als letzter Kanton der Schweiz endlich das Stimmrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein - immer noch gegen den Willen der Mehrheit der nur männlichen Stimmbürger.


Zeit zum Feiern
Die Wogen haben sich geglättet, die Traditionen wurden des Stimmrechtes der Frauen wegen nicht "entehrt" und fähige und kämpferische Frauen vertreten heute den Kanton Appenzell Ausserrhoden auch auf nationaler Ebene erfolgreich. So ist die Zeit gekommen, dies auch gebührend zu feiern. Im Juni präsentieren "Erlebte Schweiz" und die Fachstelle Familien und Gleichstellung von Appenzell Ausserrhoden die Neuproduktion "Frauenbilder" mit Geschlechterbildern von Tradition bis Emanzipation. "Die Beiträge zeigen eindrücklich, welche Geschlechterbilder damals vorherrschten. Film- und Tagesschauen dokumentieren nicht nur alte Rollenbilder, sie rücken auch Pionierinnen oder politische Debatten um Gleichberechtigung oder das Frauenstimmrecht ins Bild", schreiben die Organisierenden in einer Medienmitteilung. Dabei werde ein besonderer Blick auf die Regionalgeschichte geworfen.


Die Filmvorführung findet am 16. Juni, 19.30 Uhr im Kino Rosenthal in Heiden statt. Gäste sind Verena Schoch, Kamerafrau und Dr. Stefan Sonderegger, Historiker. Eine zweite Vorführung wird am 29. Juni, 17.00 Uhr im Cinetreff in Herisau gezeigt. Gäste sind dann Elisabeth Kunz, erste Kantonsratspräsidentin in Appenzell Ausserrhoden und Hans Höhener, alt Landammann. Mit "Frauenbilder" gastiert die Veranstaltungsreihe "Erlebte Schweiz" erstmals im Ausserrhoden. Zu sehen sind jeweils thematische Reprisen aus Film- und Tonbeständen, die dank der Netzwerkarbeit von Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, gerettet werden konnten. Kernstück ist die Berichterstattung in der Schweiz mit Beiträgen der Schweizer Filmwochenschau 1940 bis 1975 und Nachrichtensendungen der nationalen TV- und Radiostationen.


Am 23. Oktober, 17.00 Uhr, organisiert die Fachstelle Familien und Gleichstellung eine öffentliche Veranstaltung mit Referaten und einer Gesprächsrunde im Restaurant Bären in Hundwil. Der Veranstaltungsort befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Ort des historischen Geschehens, dem Landsgemeindeplatz in Hundwil. Als Referentinnen wurden Chiara Simoneschi-Cortesi, Präsidentin des Nationalrates und ehemalige Präsidentin der Eidgenössischen Frauenkommission sowie Dr. Regula Stämpfli, Politologin, eingeladen. Die Referentinnen werden die Entwicklungen der letzten 20 Jahre aufzeigen. Im Hinblick auf die nächsten Wahlen soll in einer Gesprächsrunde mit Frauen und Männern der Blick in die Zukunft gerichtet werden.


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