Solidarität auch für Abtreibungswillige

Meinung zur Abstimmung

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Sieben Frauen erzählten kürzlich im SonntagsBlick ihre Abtreibungsgeschichten.
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Ist die Finanzierung einer Abtreibung wirklich Privatsache?

Abtreibungsfinanzierung adieu?


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Gedanken zum Thema:

Das Thema lässt niemanden kalt.

Die Mobilisierung jüngerer Frauen hat nachgelassen, obwohl genau sie davon am meisten betroffen wären.

Getroffen würden besonders Frauen aus benachteiligten Kreisen.

Illegale Wege würden bei Annahme der Initiative wieder zunehmen. Mögliche Kosten, wenn ein illegaler Weg schief liefe, würden von der Krankenkasse wieder übernommen werden müssen.

72,2 Prozent der Stimmenden befürworteten die Initiative für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch und dessen Finanzierung  im Jahr 2002.

Der Bundesrat empfiehlt die Initiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ abzulehnen.

Eine Annahme der Initiative käme einem neuerlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs näher oder knabberte das jetzige Gesetz zumindest an.

Abtreiben? Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich es je tun würde. Aber kann ich über andere Frauen richten, ohne in denselben Schuhen gegangen zu sein? Die Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ entmündigt nicht nur Frauen in einer Notlage, sondern beschert ihnen auch gleich noch finanzielle Probleme.

 

Cornelia Forrer

11:06:2012

 

Claudine Esseiva, die Generalsekretärin der FDP Frauen Schweiz, hat sich als eine der Ersten zum Thema geoutet. Zusammen mit Lea Kusano, SP-Stadträtin in Bern, hat sie schliesslich die im Jahr 1971 von Alice Schwarzer im Stern lancierte Kampagne „Wir haben abgetrieben“ relaunched.

Die älteren Semester erinnern sich, wie damals 374 Frauen, darunter Prominente wie Romy Schneider, ihre Abtreibungsgeschichten erzählten und einen straflosen Schwangerschaftsabbruch forderten. Im SonntagsBlick kamen nun sieben Frauen zu Wort und erzählten Geschichten, die ein Frauenleben von einem auf den anderen Tag verändern.

 

Zehn Jahre Fristenregelung

In der Schweiz kennt man die straffreie Fristenregelung seit dem 2. Juni 2002. Sie wurde mit 72,2 Prozent angenommen. Demnach müssten rund drei Viertel der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger befürworten, dass bis in die zwölfte Woche  Frauen seither legal abtreiben dürfen. Die Vorlage enthielt aber auch die Zahlungspflicht der Krankenkassen, was von einigen Kassen wie eine Kröte halt so nebenbei mitgeschluckt wurde.

Die Krankenkasse Pro Life verzichtet übrigens als einzige Krankenkasse der Schweiz  auf die Finanzierung einer Abtreibung und stellt sich damit, nach eigenen Aussagen, auf die Seite des Lebens. Wie die Seite des Lebens innerhalb der Schwangerschaftsabbruchsfrage interpretiert werden muss, sei jeder Leserin selbst überlassen, denn schliesslich stehen hinter einem Schwangerschaftsabbruch auch eine schwangere Mutter,  ein mehr oder weniger verantwortungsvoller Erzeuger, Familien, Freunde, Mitschüler/Mitarbeiter und Co. Ist der Abbruch damit also noch reinste Privatsache?

 

Mit 15 Jahren schwanger

Lea Kusano war 15 Jahre jung, als sie von einem Klassenkameraden schwanger wurde. Der Kindsvater wollte das Baby nicht haben. Für ihn war das Thema also damit vom Tisch. Sie aber wurde von Freundinnen ausgeschlossen. Die Situation wurde unerträglich. Lea musste die Schule und ihr Elternhaus verlassen, um die letzten drei Monate des neunten Schuljahres in einem Sprachaufenthalt zu verbringen.

Es sei nicht von Anfang an klar gewesen, dass sie abtreiben würde, sagt die SP-Politikerin heute. Doch irgendwie schien das ganze Leben verbaut. Man überlege sich, dass das Mädchen weder über eine abgeschlossene Ausbildung, noch über Geld oder einen Arbeitsplatz verfügte.

 

Das war vor 17 Jahren. Die Emotionen hat  Lea  in der Vergangenheit gelassen. Es geht ihr um die Selbstbestimmung der Frauen, denn diese sieht sie mit der Initiative gefährdet. Die Initiative fordert ein Verbot der Finanzierung durch die Krankenkassen, nicht aber ein Verbot der Abtreibungen. Hinter jeder Abtreibung stehen Menschen, steht in erster Linie eine ungewollt schwangere Frau.

Wollen wir Schweizerinnen und Schweizer unseren über zahlreiche Jahre erkämpften Solidaritätsgedanken mit dem Beerdigen der Finanzierung einer Abtreibung wirklich begraben? Wollen wir über Menschen richten, deren Geschichten wir nicht kennen und in deren Schuhen wir niemals standen oder stehen werden?

 

Ist das solidaritätsfreie Sitzenlassen einer abtreibungswilligen Frau auf einem Schuldenberg wirklich christlicher, als die Hilfe für eine von ihr für besser befundene Zukunft? Keine Frau treibt einfach so im Vorbeigehen ab. Eine Abtreibung geht auch an keiner Frau spurlos vorbei. Wünschen oder wünschten wir uns nicht alle, niemals vor der Entscheidung für oder gegen ein ungeborenes Kind zu stehen? Und stünden wir je vor der Entscheidung: Würden wir nicht gern ernst genommen werden und froh sein, nicht zusätzlich vielleicht in finanzielle Not zu geraten? 


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