Wenn Frauen zu viel grübeln – mehr Schlag als Ratschlag

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Ein Dreieck wird bei Susan Nolen-Hoeksema zum Teufelskreis.
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Mit dieser Publikation liegt Eichborn daneben, so das Fazit von Tanja Melzer.

Susan Nolen-Hoeksema:
Wege aus der Frustfalle
Eichborn Verlag
Februar 2008
200 Seiten
SFr. 27,90; 14, 95 Euro.

Wieder ein Ratgeber-Buch, das eigentlich niemand braucht, das aber Verzweifelten zweifelhafte Heilung verspricht: Zu viel grübeln, zu viel essen, zu viel trinken führt Frauen direkt in die Frustfalle, weiß die amerikanische Psychologie-Professorin Susan Noel-Hoeksema.

 

Tanja Melzer

28:01:2014

 

Die Autorin des Bestsellers "Wenn Frauen zuviel denken" hat es sich nicht nehmen lassen, dieses Thema in ihrem neu erschienenen Buch ein weiteres Mal breit zu treten. Jetzt geht es aber primär darum, zu Alkohol- und Ess-Exzessen neigenden Frauen Alternativen für ihr angeblich typisch weibliches Krisenmanagement aufzuzeigen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir halten den Versuch für missglückt. Schade für den Eichborn-Verlag, diesmal hat er sich vergriffen.


Wie vermeidet frau den Griff zur Flasche?

Man kann der Autorin nicht vorwerfen, dass sie es sich einfach gemacht hätte. Doch nach der Auswertung von insgesamt 133 Studien über weibliche Depression, Alkoholismus und Essstörungen kommt sie sinngemäß lediglich zu dem Schluss, dass die – wodurch auch immer - frustrierte Frau den Griff zur Flasche oder zur Leckerei einfach durch ein wenig Meditieren vermeiden kann.

Bevor sie nun also bei einer Flasche Rotwein mit Chips und Käsehäppchen über ihren Frust nachgrübelt, und am nächsten Tag über ihren Kater und die Gewichtszunahme noch mehr ins Grübeln kommt, wendet die so geläuterte Frau einfach die neuen "Bewusstwerdungstechniken" an: Sie setzt sich hungrig und durstig auf einen bequemen Stuhl und konzentriert sich auf ihre Atmung. Dann klappert sie die Gedanken ab, die ihr im Kopf herum gehen, "ohne sie festzuhalten". (Übrigens, haben Sie schon einmal versucht, eine Minute lang nicht an einen blauen Elefanten zu denken?)


Gefangen im „toxischen Dreieck“

Schließlich kann sie das Verlangen nach Alkohol oder Essen im Bauch spüren und "wie auf einer Welle" darüber hinweg reiten. Und dies so oft und so lange, bis das Verlangen nicht mehr spürbar ist (Bewusstlosigkeit?). Dass frau (Lebens-)Situationen, die sie so sehr zum Grübeln bringen, vielleicht endlich verändern sollte, und wie sie das wirklich tun kann – davon ist in keinem Satz die Rede.

Stattdessen zitiert die schreibwütige amerikanische Psychologie-Professorin für jede ihrer Grübel-Thesen mindestens eine Studie, welche diese angeblich belegt. In einer merkwürdigen Synthese aus Geometrie und Medizin spricht sie von einem "toxischen Dreieck", das die Betroffenen gefangen hält. Dieses Gebilde, nun kreisförmig geworden, soll den Teufelskreis beschreiben, in den Frauen sich begeben, wenn sie ihren Frust durch Grübeln, übermäßiges Essen und (Alkohol-) Trinken kompensieren. Erkenntnisse, die wir, nur unter anderem Namen, schon seit Jahrzehnten kennen, versieht die Autorin einfach mit einem neuen Etikett.


Dann doch lieber Hausputz

So wird die altbekannte Co-Abhängigkeit bei ihr zu einem "Götzen aus alten Zeiten", von denen frau sich mittels oben genannter Techniken und selbstreflexiver Tagebucheinträge befreien muss. Auch die "Theorie vom inneren Kind" wird ungenannt zu Hilfe genommen: Die Frauen sollen sich Rückfälle in unliebsame Verhaltensweisen verzeihen, anstatt sich gleich wieder aufzugeben. Geradezu makaber wird es aber, wenn die Professorin ihren Leserinnen anrät, anstatt zu fressen oder zu saufen lieber den Hausputz zu erledigen.

Da kann man es den Leserinnen wirklich nicht verübeln, wenn sie wieder im "toxischen Dreieck" springen.


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