Weibliche Erkenntniszustände gestern, heute und in der Zukunft

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Ein Blick ins Plenum bei der FrauenVernetzungsWerkstatt. Bilder: Sam Thomas.
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Julia Onken, Erika Bigler und Iris Radisch im Gespräch.

"Die Veränderung der Situation der Frau ist kein Selbstzweck." Christa Köppel, Gemeindepräsidentin Widnau, in ihrem Grußwort.

Die nächste FrauenVernetzungs
Werkstatt findet am 14. März 2009 statt. Die Dokumentation "10 Jahre Frauen
Vernetzungs
Werkstatt" kann online bezogen werden bei:
www.frauenvernetzungs-
werkstatt.ch
.

Nachdem die FrauenVernetzungsWerkstatt 2007 mit politischen und feministischen Schwergewichten wie zum Beispiel einer Doris Leuthard und Alice Schwarzer aufwartete, durfte man gespannt sein, ob der Jubiläumskongress des Jahres 2007 zu toppen sei. Was zunächst den Augenschein eines schwierigen Unterfangens erweckte, ist am 15. März an der Universität St. Gallen rundum gelungen. Und liefert den besten Beweis dafür, dass alles gut wird, wenn es heisst: Frauen denken! Hier ein erster Bericht.

 

Eva Grundl

17:03:2008

 

Der seit 1998 jährlich stattfindende Gross-Anlass zeichnete sich aus durch eine hervorragend angelegte und umgesetzte Fokussierung des Tagungsthemas, welches da lautete: Frauen denken! Konnten die Ausführungen der Referentinnen in zehn offenen Foren am Nachmittag diskutiert, vertieft und erweitert werden, so hatten zuvor die Vorträge sowie das Gespräch von Julia Onken, Psychologin und Autorin, und Erika Bigler, Laufbahnberaterin und Mitinitiantin der FrauenVernetzungsWerkstatt, mit der Literaturkritikerin Iris Radisch ein solides Fundament dafür gelegt.

Die Historikerin Heidi Witzig etwa vermittelte in ihrem Referat eindrücklich den Bau und Zerfall jenes von patriarchalen Vorstellungen geprägten Gedankengebäudes, das über lange Jahrhunderte den Frauen das Denken versagte. Dennoch öffneten sich durch diese Gemäuer gewissermassen immer wieder Fenster, aus denen Frauen lugten wie etwa eine Hildegard von Bingen, die der Welt da draussen mit ihren Schriften, ihren Ideen und Gedanken zu riefen: "Wir sind da und, danke, wir denken - selber." Zwei historische Chancen, so Heidi Witzig, boten sich der weiblichen Gelehrsamkeit mit dem 12. und 13 Jahrhundert sowie mit dem 16. und 17. Jahrhundert. Zunächst nur leicht ins Wanken geraten, dann aber bis auf seine Grundmauern niedergerissen wurde dieses Gedankengebäude durch die kulturelle Revolution der zweiten Frauenbewegung im 20. Jahrhundert: "Das rationale Weltbild, geprägt durch das mänliche Denken, war einer fundamentalen Kritik ausgesetzt. Dazu kamen auch noch neue, positive Leitbilder des Denkens von Frauen und für Frauen", so die Historikerin.

 

Regte Heidi Witzig an, dem eigenen Denkvermögen zu vertrauen und auch die Gefühle zu kultivieren und zu pflegen, so griff Annegret Stopczyk diesen Faden auf. Die Philosophin Sappho etwa war eine Meisterin in der Pflege, der Kultur eben der Emotionen und nicht nur dieses: Ebenso wie Mary Wollstoncraft, aus deren Feder übrigens erstmals in der europäischen Ideengeschichte der Begriff der "Menschenrechte" floss, war auch Sappho eine frei denkende, durch und durch selbstbewußte Frau. Beide wiederum entwickelten ihre Gedanken und denkerischen Positionen völlig eigenständig und fernab jener wissenschaftlichen Stätten, die den menschlichen Geist nach vorgegebenen Regeln und Gesetzen domestizieren. "Wir müssen das Philosophieren ins Leben holen und dann ins Handeln kommen", so der Appell der Philosophin Annegret Stopczyk.

Was weibliches Denken und Leben in der Gegenwart und Zukunft bestimmt, war gewissermassen Gegenstand des Gespräches von Julia Onken und Erika Bigler - beide sind Mitglieder des Leitungsteams der FrauenVernetzungsWerkstatt - mit Iris Radisch sowie des Vortrages von Paola Ghillani über nachhaltiges Wirtschaften. Beim Talk mit der Autorin und Literaturkritikerin Radisch zeigte sich die Kraft weiblicher Utopien und Träume: Nichts weniger als Kreativität und neue Ideen sind gefragt, so Iris Radisch, wenn es um die dringend zu bewältigenden Kämpfe für die Durchsetzung der Familienzeit geht. "Ohne Reformen in der Arbeitskultur machen wir uns kaputt", so der eindringliche Appell von Radisch. Sie forderte nicht zuletzt dazu auf, Vorstellungen zur Wohlstands- und Konsumgesellschaft kritisch zu hinterfragen und zu überdenken.

Damit hat sich die Unternehmerin Paolo Ghillani praktisch und überaus erfolgreich beschäftigt. Nachhaltiges Wirtschaften, so ihr Plädoyer, zielt ab auf eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des jeweiligen Unternehmens sowie auf eine gute soziale Entwicklung und es umfasst zudem eine ökologische Verantwortung. Von erheblicher politischer und ökonomischer Brisanz, so die Inhaberin von "Paola Ghillani & Friends" in ihrem Vortrag, ist allerdings die Tatsache der Knappheit der Energieressourcen: "Die Preise für Erdöl werden dramatisch steigen. Im Jahr 2100 werden 90 Prozent der Energien aus erneuerbaren Engerien gewonnen werden", führte die Referentin aus. Es war auch dieser Satz in ihrem Vortrag, der zu denken gibt: "Die Geschichte zeigt, dass Menschen Kriege führen, werden die Ressourcen knapp. "


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