Wehret den Anfängen!

Zum Abschaffungsbegehren der SP Frauen-Gruppe

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Ob die Abschaffung der SP Frauengruppe der Weg zum Erfolg ist? Tanja Walliser meint es.
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Ginge es nach dem Wunsch einiger GenossInnen, wäre dieses Logo bald Geschichte.

Für einmal nicht neutral


Mein Artikel ist für einmal nicht neutral. Das tut mir aber nicht leid. Ich bin eine der Frauen, die an der Seite von Elisabeth Pletscher neben dem Ring in Trogen stand und sich in Hundwil darüber freute, als das Frauenstimmrecht im Kanton Appenzell Ausserrhoden endlich eingeführt wurde. Ich ging  mehrfach auf die Strasse für Frauenanliegen. Ich bin als Bewerberin bei der Polizei im Kanton Luzern in den 80er Jahren abgeblitzt, obwohl ich Bestleistungen brachte, weil mein Aufsatzthema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, den Prüfungsexperten offensichtlich Angst machte, obwohl es in der Verfassung bereits verankert war. Zu diesem Zeitpunkt war ich übrigens SP-Mitglied, was den Luzernern sehr gut gefiel. Ich war auch bei fast allen Bundesrätinnenwahlen und an der Frauenwache in Bundesbern vor Ort.


Es war nicht immer einfach, weiblich geboren worden zu sein. Es war nicht schön, klug zu sein und doch nicht studieren zu dürfen. Ich litt noch darunter, bei der Eheschliessung den Gehorsam geloben und meinen Heimatort und Namen aufgeben zu müssen.  Es war vieles nicht leicht damals. Der Kampf der Vorkämpferinnen und jener meiner Generation für die Gleichstellung war nicht immer ein Klacks. Wir haben ihn dennoch gern auf uns genommen, um den nachfolgenden Frauen den Boden zu ebnen.


WERFT  DAS  ALLES  NICHT  EINFACH  HIN!!!!

Traurig, aber leider wahr: Einigen jungen Genossinnen und Genossen stinkt der Feminismus. Die Frauengruppe der SP soll darum abgeschafft und eine neue Gleichstellungsgruppe mit Einbezug der Anliegen für Buben und Männer ins Leben gerufen werden.

 

Cornelia Forrer

18:05:2011

 

Gleichstellungspolitik sei ja schön und gut, müsse aber anders sein, findet eine Gruppierung innerhalb der SP. Die Sonntags-Zeitung, der Bund, der Tagi und weitere wichtige Tagesmedien machten es kürzlich publik. Nach Meinung einiger Genossinnen und Genossen würden die SP-Frauen eine Gleichstellungspolitik betreiben, die für zahlreiche SP-PolitikerInnen abschreckend wirke. „Männer sind gar nicht erst willkommen“, heisst es im Entwurf zum „Manifest für eine visionäre Gleichstellungspolitk der SP Schweiz“.


Noch im Februar haben die SP-Frauen in ihrer Medienmitteilung geschrieben: „40 Jahre Frauenstimmrecht verpflichtet!“ und danach festgehalten, dass diese Partei die Gleichstellung massgeblich geprägt habe. Man habe stets einen klaren Kurs gefahren und Massnahmen eingefordert, etwa mit dem Verfassungsartikel 1981, mit dem neuen Eherecht 1988, mit dem Gleichstellungsgesetz im Erwerbsleben 1996, mit dem neuen Scheidungsrecht 1999 und mit dem Partnerschaftsgesetz 2005.


Noch heute fordern die SP Frauen Schweiz die Umsetzung der Gleichstellung als prioritäres Ziel der Legislaturperiode des Bundes 2012 bis 2016. Eine 50 Prozent-Quote in Gremien und auf Wahllisten ist für die SP Frauen Schweiz ein Muss. Ob die junge Verfasserin des Manifestes für die visionäre Gleichstellungspolitik, Stadträtin Tanja Walliser aus Bern, den Genossinnen und Genossen und ihrer sonst schon geschwächten und farblosen Politik nicht bloss einen Bärendienst erweist, wird sich zeigen.


Von überholten Rollenbildern spricht sie und fordert neben (oder anstelle) der SP Frauen-Gruppe ein anderes Gleichstellungsforum innerhalb der Partei. Die Anliegen der Männer in der Partei sieht sie nicht vertreten. So sei es schwierig für einen Mann, eine Teilzeitstelle zu finden. Es gibt nicht einfach die mächtigen Männer und die schwachen Frauen; das eigentliche Problem sind die überholten Rollenbilder, die beide Geschlechter einschränken.“ Ein Kampf um Anerkennung sei heute nicht mehr nötig oder gar hinderlich, um fortschrittliche Positionen zu erarbeiten.


Auch die jüngste Zürcher Kantonsrätin, Mattea Meyer, ist überzeugt, dass ein „Geschlechterkampf zur Frage, wer mehr oder weniger diskriminiert werde“, nicht länger geführt werden müsse. Und Jon Pult, Präsident der Bündner SP meint: „Wir sollten uns lösen vom Feminismus der vergangenen Jahrzehnte.“ Anders sieht es Maria Roth-Bernasconi, Co-Präsidentin der SP Frauen. Sie finde es gut, dass sich die Jungen mit der Gleichstellung auseinandersetzten. Nicht einverstanden sei sie mit der Abschaffung der SP Frauen-Gruppe. „Gleichstellungspolitik ist nicht nur Frauenpolitik. Ich bin überzeugt davon, dass es immer noch Feministinnen braucht“, kontert sie.


Um zu verstehen, wie notwendig geschlechtseigene Frauenvertretungen sind und dass wir mit aber nicht für die Männer kämpfen müssen, muss man wohl zumindest einen Teil des Kampfes um die Gleichstellung selber erlebt und dafür mitgekämpft haben. Stimmführende Frauen wie Emilie Kempin-Spyri, Meta von Salis, Rosa Neuenschwander, Elisabeth Pletscher und Emilie Lieberherr würden sich im Grabe umdrehen, wüssten sie, wie ihre Lebenswerke von jungen, sich modern denkend nennenden Frauen, mit Füssen getreten werden.


Wenn Männer wie SP-Präsident Hans-Jürg Fehr, sonst eigentlich ein Befürworter der Gleichstellungspolitik, mit dem Manifest einig gehen und sich wünschen, dass junge Kräfte den Lead übernehmen, dann haben auch sie nicht verstanden, worum es in Wirklichkeit geht. Dabei geht Fehr immerhin nicht so weit, die SP Frauen als Organisation zu hinterfragen. „Wenn Frauen nicht ziehen und den Takt angeben, passiert zu wenig“, sagt er.


Tanja Walliser fordert, die Gleichstellungsbüros und die SP hätten konsequent auch Männer- und Bubenfragen anzugehen und kann sich für die Vertretung von Männern in der Kommission für Frauenfragen erwärmen. Mitte Juni soll das Papier der Öffentlichkeit präsentiert und Unterstützung gesucht werden. Gleichgesinnte, Genossinnen und Genossen werden jetzt aufgerufen, das Manifest zu unterschreiben. Hoffen wir, im Sinne unserer Vorkämpferinnen, dass das Papier dort landet, wo es hingehört: in der Versenkung!


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