Eine offene Kampfansage: „Frauen im Laufgitter“ von Iris von Roten

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Iris von Roten, 1917 bis 1990.
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Simone de Beauvoir, 1908 bis 1986.

„Wie ein Gast wissen muss, wann es Zeit ist zu gehen, so sollte man sich auch rechtzeitig vom Tisch des Lebens erheben“. Am 11. September 1990 beendete Iris von Roten ihr Leben.

Was haben Simone de Beauvoir und Iris von Roten für eine Gemeinsamkeit? Beide haben in den 40er und 50er des letzten Jahrhunderts über die Unterdrückung der Frau geschrieben. Aber während Beauvoirs Buch als philosophisches Werk Anklang fand und von den Intellektuellen Frankreichs Rückhalt bekam, wurde von Rotens Schrift regelrecht verdammt.

 

Simone Gröbli

04:06:2012

 

Frauen im Laufgitter“ so der Titel des Buches, zog, zitiert mit den Worten der Basler Nachrichten, 564 Seiten gegen die Männerwelt vom Leder. Politische, wirtschaftliche, berufliche und sexuelle Freiheiten für die Frau wurden gefordert. Sogar von der fraulichen Zwangsarbeit im Haushalt war die Rede, die, so Roten, wie jede Zwangsarbeit nicht bezahlt werde.

 

Das Buch erschien ein halbes Jahr vor der ersten Abstimmung in der Schweiz über das Frauenstimmrecht, die im Februar 1959 stattfand. Es hatte die gleiche Wirkung, wie die Axt im Wald; erst recht für die Frauen, die sich im Bund Schweizerischer Frauenvereine BSF zusammengeschlossen hatten.

Ihre Mitglieder wollten mit Kompromissen und Taktgefühl, Vereinbarungen mit den wahlberechtigten Männern treffen und nicht wie von Roten mit Konfrontation. Denn nach Meinung des BSF sollte am grundsätzlichen zeitgenössischen Bild der Hausfrau und Mutter nicht gerüttelt werden.

 

Es siegte die Konfrontation; am 1.Februar 1959 wurde mit einer Zweidrittelmehrheit das Frauenstimmrecht von den Schweizer-Männern verworfen. Wer für den negativen Wahlausgang mitverantwortlich war, lag auf der Hand: Iris von Roten. Sie wurde zur meist kritisierten Person in der Schweiz der damaligen Zeit, eine „streitsüchtige Hysterikerin“ und „giftspeiende Fürsprecherin“ hiess es.

 

So gekonnt und analytisch von Roten austeilen konnte, mit der harschen Kritik kam sie nicht klar. Erst recht nicht, als sie von den Frauenorganisationen Ächtung erfuhr. Sie zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, genauso wie aus der Frauenthematik, und reiste, ganz im Sinne ihrer eigenen unkonventionellen Ehe, für sechs Monate alleine durch die Türkei.

Aber sie wurde den Geist der Verfemten nicht mehr los: Als sie über diese Türkeireise ein Buch schreibt, findet sie vorerst keinen Verlag.


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