Pionierarbeit für Frauen in Kriegsgebieten

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Monika Hauser in Liberia, wo während 15 Jahren Bürgerkrieg herrschte. (Sybille Fezer/medica mondiale)
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Mediationszentrum für Frauen in Kabul. (Lizette Potgieter/medica mondiale)

Monika Hauser und medica mondiale

Monika Hauser ist 1959 in St. Gallen geboren und aufgewachsen. In Österreich und Italien studierte sie Medizin. Später liess sie sich zur Fachärztin für Gynäkologie ausbilden. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Köln.

Die Hilfsorganisation medica mondiale ist seit 17 Jahren und in rund 20 Ländern tätig. In Krisen- und Kriegsgebieten bietet sie Frauen medizinische Hilfe, psychosoziale Beratungen oder rechtlichen Beistand.

In den letzten 10 Jahren hat medica mondiale in Kosovo, Bosnien, Albanien und Afghanistan über 40'000 Frauen gynäkologisch untersucht und beraten.

2008 erhielt Monika Hauser den Alternativen Nobelpreis.

Quelle: Radio SRI/ swissinfo.

Die Schweizerin Monika Hauser, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, stellt in einer Vortragsreihe die Arbeit ihrer Hilfsorganisation "medica mondiale" vor. Sie setzt sich in Kriegsgebieten für Frauen ein, die sexuelle Gewalt erlebt haben.

 

Sandra Grizelj, Luzern

14:09:2010

 

Als Monika Hauser 1992 von den systematischen Vergewaltigungen während des Krieges in Bosnien und Herzegowina las, entschloss sich die Gynäkologin, vor Ort tätig zu werden. 1993 eröffnete Hauser das Frauenzentrum "Medica Zenica", benannt nach einer Ortschaft in Bosnien.

Seither führt medica mondiale, die sich als feministische Menschenrechts- und Hilfsorganisation versteht, in rund 20 kriegsbetroffenen Ländern Projekte für Frauen. Damit leistet die Organisation Pionierarbeit, denn nur sehr wenige Hilfswerke richten sich ausschliesslich an Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt erlebt haben.

"Der Grund, weshalb ich etwas unternehmen wollte, war vor allem Wut", sagt Hauser zu Beginn ihres Vortrags in Luzern. "Wut darüber, was Männer den Frauen angetan haben. Aber auch Wut auf die Medien und die Politik."

Die Medien hätten die Frauen nicht als Subjekte gesehen: "Man schrieb über sie, wie wenn sie kein Leben vor und nach der Vergewaltigung hätten", erklärt Hauser. "Die Medien waren nur an sensationellen Details der Vergewaltigungen interessiert." Mit der Tat selbst habe das Leiden der Frauen jedoch nicht aufgehört.

"Von der internationalen Politik gab es nur Lippenbekenntnisse", sagt die Ärztin. Sie hingegen wollte nicht nur reden, sondern tätig werden und den Frauen in den Kriegs- und Krisengebieten vor Ort helfen.


 

"Moralische Verbrechen" in Afghanistan

Das Frauenzentrum in Zenica blieb nicht das einzige. Es folgten Projekte in Kosovo, Albanien oder Liberia. Seit 2002 ist die Hilfsorganisation in Afghanistan mit verschiedenen Projekten tätig.

Hauser zeigt ein Bild aus einem Frauengefängnis in Kabul. In einem dreckigen Raum sind Frauen und sogar Mädchen zu sehen. Es gibt weder Sitzgelegenheiten noch Betten. "Diese Frauen sind wegen so genannter moralischer Verbrechen inhaftiert", sagt Hauser.

Vermeintlicher Ehebruch, Flucht vor familiärer Gewalt oder der Zwangsehe, sind solche moralischen Verbrechen. "Wird eine Frau vergewaltigt, wird sie des Ehebruchs für schuldig befunden und muss ins Gefängnis", so Hauser. Eine Strafverfolgung der Täter sei die Ausnahme und nicht die Regel.

"In Afghanistan gibt es eine ähnliche Verfassung und ähnliche Gesetze wie bei uns, nur halten sich die Richter nicht daran. Sie handeln nach der Scharia oder einem Stammesgesetz."
Dagegen geht das Hilfswerk in Zusammenarbeit mit einheimischen Juristinnen vor. Die Juristinnen konnten die Fehler in den Verfahren beweisen und so die Freilassung von über 2000 Frauen bewirken.


 

Weiterbildung und geschützte Räume

"Die Investition in Fachfrauen ist am Wichtigsten", sagt Monika Hauser. Deshalb bietet medica mondiale Weiterbildungen für medizinische Fachfrauen an. In Kursen werden sie in frauenspezifischer Traumaarbeit geschult und so für die Folgen und Auswirkungen von sexualisierter Gewalt sensibilisiert.

In mehreren Kabuler Stadtteilen bieten Beratungs- und Mediationsräume einen geschützten Ort, wo Frauen in wöchentlichen Beratungsgruppen über ihre Erfahrungen reden können.
"Oft schämen sich die Frauen, über die erlittene Gewalt zu sprechen", erzählt Hauser. "Sie fürchten sich vor den Konsequenzen, wenn sie sagen, dass sie vergewaltigt wurden."


 

Kooperation mit dem Strafgerichtshof in Den Haag

Die Hilfsorganisation ist jedoch nicht nur vor Ort in Krisengebieten tätig, sondern arbeitet auch mit dem Strafgerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag zusammen. Dieser wurde 1993 eigens dafür eingerichtet, die Verstösse gegen das Völkerrecht im Jugoslawien-Krieg zu ahnden.

Monika Hauser setzte sich von Anfang an dafür ein, dass Massen-Vergewaltigungen im Krieg endlich verurteilt und damit als Kriegsverbrechen anerkannt werden.

Der unermüdliche Einsatz hat sich gelohnt: 2001 wurde in Den Haag im so genannten Foca-Prozess ein historisch bedeutsames Urteil gefällt. Zum ersten Mal hat ein Gericht die organisierte Vergewaltigung von Frauen im Krieg als "sexuelle Versklavung" anerkannt und sie als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt.

Im Foca-Prozess, benannt nach dem Ort der Verbrechen in Bosnien und Herzegowina, ging es ausschliesslich um sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Die drei Angeklagten wurden für schuldig befunden, systematisch und wiederholt Frauen und Mädchen vergewaltigt, sexuell gefoltert und versklavt zu haben.

Zum Schluss des Vortrags betont Hauser, dass es neben der juristischen auch andere Arten von Gerechtigkeit gebe: "Gerechtigkeit ist auch, wenn Frauen operiert werden können, weil sie einen zerfetzten Unterleib haben. Oder wenn sie wirtschaftlich unabhängig sein können."


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