„Oft bin ich auch Mutmacherin“

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Bernadette Ritter-Nigg ist oft genug auch Mutmacherin. Bild: Baur-Rigendinger.
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Beim Umgang mit Geld hilft ein klarer Blick.

Hilfe zur Selbsthilfe

Die Budgetberatung wird finanziell von der Frauenarbeits-

gemeinschaft Sarganserland FAGS getragen und ist jedermann zugänglich. Betreut wird sie von Bernadette Ritter-Nigg. Die ausgebildete Bankfachfrau ist Mutter von zwei Kindern und wohnt in Wangs. Die Budgetberatung ist konfessions-
unabhängig, vertraulich und kann von Frauen und Männern aller Altersstufen gegen Entrichtung eines bescheidenen Unkostenbeitrags in Anspruch genommen werden. Sprechstunde nach telefonischer Vereinbarung über Tel. 081/723 72 81.

Sie erstellt Budgets. Und sie macht Mut, über die Bücher zu gehen: Budgetberaterin Bernadette Ritter-Nigg. „Jugend und Geld“ heisst das Thema, das sie auch regelmässig mit Eltern unter die Lupe nimmt.

 

Helen Baur-Rigendinger

09:08:2009

 

Klarheit schaffen über die privaten Finanzen bringt viele Vorteile. Wer nutzt die Budgetberatung? Was sind die Gründe?
Ich berate und begleite vorab Leute aus dem Sarganserland und benachbarten Regionen. Die Kundschaft ist sehr vielschichtig. Rat suchen immer mehr auch Personen, die finanziell gut da stehen. „Trotzdem wir gut verdienen, bleibt Ende Monat nichts mehr übrig“, wird unter anderem geklagt. In der Regel sind es Frauen, die in die Offensive gehen, wenn Fragen und Probleme auftauchen. Nicht selten wollen sie auch wissen, wie sie ihre Kinder in finanziellen Angelegenheiten gut begleiten können.

„Ein Budget aufstellen heisst, seinem Geld den Weg vorschreiben, statt sich zu wundern, wohin es gegangen ist“, heisst der Slogan der Budgetberatung. Prävention hat bei der Budgetberatung einen immer höheren Stellenwert. In Schulen oder auf Einladung von Vereinen erkläre ich, wie man in der heutigen Konsumgesellschaft sinnvoll mit Geld umgehen sollte.

Finanzielle Erziehung beginnt beim Kind. Sackgeld ist wichtig, um Kinder früh daran zu gewöhnen, dass Knappheit zum Leben gehört und dass man sich alles einteilen muss. Ein naheliegender Starttermin ist der Schuleintritt. Wichtig ist die klare Absprache, wofür das Geld reichen muss. Vor allem Handykosten oder Kleider können das Budget leicht sprengen.

Wie erleben Sie die Ratsuchenden?
Über Geld reden Frau und Herr Schweizer bekanntlich nicht gerne. Jemandem Aussenstehenden gar Einblick in die Finanzen zu geben, ist noch schwieriger. Bei Leuten, die den Schritt hierher gewagt haben, stelle ich immer wieder Erleichterung fest. „Ich hätte viel früher kommen sollen“, heisst es, wenn ich ihnen die Fakten auf den Tisch lege.

Das trifft auch auf die junge Frau zu, die mich aufsuchte. Die 24-Jährige lebte seit Jahren in Saus und Braus im Hotel Mama. Abgeben musste sie nichts. Dann lernte sie die grosse Liebe kennen und träumte von Heirat, Haus und Kindern. Doch woher Geld nehmen, wenn das Konto Ende Monat leer und das Auto geleast ist? Mit einem Budget zeigte ich ihr auf, dass das Leben auch finanziell planbar ist.

Wo drückt der Schuh am meisten?
Es sind zwei Sachen, die belasten. Da sind einerseits familiäre oder partnerschaftliche Probleme. Das Geld ist ein Faktor, der zu Meinungsverschiedenheiten führt. In diesen Fällen versuche ich mit Einbezug anderer Fachstellen Hilfe zu leisten. Anderseits kontaktieren mich Leute, die über ihre Verhältnisse leben.

Manchmal braucht es eine Sitzung, manchmal zwei oder aber eine Begleitung. Hilfe geholt haben auch schon Kinder, deren Eltern den Umgang mit Geld nicht beherrschen.

Welche Kosten werden unterschätzt?
Die festen Verpflichtungen, angefangen beim Mietzins, Krankenkasse, Versicherungen bis hin zu Musikunterricht und Freizeitaktivitäten. Nicht selten bleibt den Ratsuchenden auch der Mund offen, wenn ich die Autokosten aufliste. Der Betrag, der pro Monat beiseite gestellt werden muss, sollte identisch sein mit demjenigen der anfallenden Beinzinkosten.

Ins Geld geht natürlich auch das Zweitauto. Ich staune immer wieder, dass „Unvorgesehenes“ nicht einkalkuliert wird. Was ist, wenn man arbeitslos wird und nichts auf der hohen Kante hat? Auch Kinder müssen wieder lernen, dass man nicht von der Hand in den Mund leben kann. Warum nicht bereits 10 Prozent des Sackgeldes in die Sparbüchse legen? Die jährliche Bankeinlage mit Mama oder Papa an der Seite könnte ein prägendes Kinderereignis sein!

Armut trifft bei Arbeitslosigkeit und Trennungen immer öfters auch Familien aus dem Mittelstand. Welche Tipps geben Sie Betroffenen?
Müssen zwei Haushalte finanziert werden, sind 30 Prozent mehr Einkommen erforderlich. Das Beste wäre, wenn Frauen wirtschaftlich unabhängig wären. Sie sind es in der Regel, die das Sozialamt aufsuchen müssen, wenn das Geld nirgends hinreicht.

Allgemein gebe ich den Tipp, gemeinsam in die Beratung zu kommen und sich von Fachpersonen und Bekannten mit persönlichen Scheidungserfahrungen beraten zu lassen. Wichtig ist auch, dass gute Scheidungskonventionen ausgehandelt werden. Es gab, sage ich immer wieder, eine Zeit, wo man sich liebte. Dann kam eine Zeit, wo es nicht mehr so gut ging. Und jetzt braucht es Zeit, sich in Anstand und Würde zu trennen.

Glaubt man den Finanzexperten, muss aufgrund der Finanzkrise der Gürtel da und dort enger geschnallt werden. Wie lautet Ihr Rat?
Vielleicht muss man im stillen Kämmerlein einmal über die Bücher und sich fragen: Brauche ich das überhaupt? Sparen kann man bei bei Handykosten und Zeitschriften ebenso wie bei Kosmetik, Spenden, aber auch beim Essen. Eventuell muss auch die Krankenkassen-Zusatzversicherung dran glauben.

Ein Luxusartikel sind auch Tiere. Obwohl ich sehr tierliebend bin, empfehle ich, als Alternative den Hund des Nachbarn auszuführen und so eine Tierbeziehung zu pflegen.

Die Leute, die Sie aufsuchen, haben einen wichtigen ersten Schritt getan. Warum ist dieser so wichtig?
Ich bin nicht nur Budgetberaterin, sondern oft auch Mutmacherin. Die Wege, die ich aufzeige, betreffen nicht ausschliesslich die Finanzen. Eine alleinerziehende Mutter kann ich beispielsweise auf eine (Zweit-)Ausbildung respektive die Stiftung Symbola aufmerksam machen. Diese unterstützt Menschen, die nicht aus eigenen Mitteln eine Aus- oder Weiterbildung finanzieren können.


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