Lesen fängt das Leben ein - Lesetipps

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Helen Meier hat in 25 Jahren ein grosses schriftstellerisches Werk geschaffen.
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Bereits das Erstlingswerk Meiers "Trockenwiese" wurde mit einem Preis ausgezeichnet.

Helen Meier

Helen Meiers Vater war Dorfschullehrer. Sie besuchte das Lehrerseminar in Rorschach und war anschliessend als Grundschullehrerin tätig. Nach Arbeitsaufenthalten in England, Frankreich und Italien studierte sie Sprachen und Pädagogik an der Universität Fribourg. Sie arbeitete in der Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes mit und war Sonderschullehrerin in Heiden im Kanton Appenzell Ausserrhoden. 1984 wurde sie beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt entdeckt. Meier lebt heute als freie Schriftstellerin in Trogen.

 

Sommerzeit ist auch Lesezeit. Was gibt es Schöneres, als sich im Liegestuhl am Strand, im Garten oder auf dem Balkon zu räkeln und dabei in eine Kriminalgeschichte einzutauchen, oder ausgestreckt auf der kuscheligen Kautsch, sich einen historischen Liebesroman zu genehmigen und dazu zu träumen?

 

Cornelia Forrer

20:07:2009

 

Eine der beliebtesten Schweizerischen Schriftstellerinnen stammt aus der Ostschweiz: Helen Meier. In Mels am 17. April 1929 geboren, trat die Tochter eines Dorfschullehrers, nach dem Besuch des Lehrer(-innen)seminars in Rorschach , in die Fussstapfen ihres Vaters. Nach Arbeitsaufenthalten in England, Frankreich und Italien studierte sie Sprachen und Pädagogik an der Universität in Fribourg und arbeitete später in der Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes. Bald zog es sie zurück in ihre Heimat, wo sie als Sonderschullehrerin in Heiden tätig war. 1984 wurde Helen Meier beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt entdeckt. Heute lebt die 80 Jährige als freie Schriftstellerin in Trogen.


Fortsetzung folgt .
Nach dem Erstlingswerk Helen Meiers "Trockenwiese" folgten Werke wie "Das einzige Objekt in Farbe, "Das Haus am See", "Lebenleben" und weitere, die allesamt früher oder später als Bestseller einschlugen. 1995 führte das Theater St. Gallen Meiers "Die gegessene Rose" auf. Mehrere Auszeichnungen - unter anderem der Droste-Hülshoff-Preis im Jahr 2000 und 2001 der Kulturpreis des Kantons St. Gallen - wurden Helen Meier für ihre Bücher verliehen. Sie werde noch mindestens zwei schreiben, versprach die 80 Jährige, als sie zum Anlass ihres runden Geburtstages vom Kanton Appenzell Ausserrhoden im letzten April geehrt wurde. Eine Sammlung von Kürzesttexten liege bereits wieder auf dem Schreibtisch des Verlegers Egon Ammann und warte auf dessen Kritik. Einen kurzen Einblick in diese unveröffentlichten Geschichten, Beschreibungen und Essays verlieh Helen Meier ihrem Publikum jedoch anlässlich ihrer Ehrung im Obergerichtssaal von Trogen.


Was Helen Meiers Werke auszeichnet sind die tiefen Einblicke in das menschliche Denken und Sein. In "Liebe Stimme" vermittelt sie beispielsweise giftigste Liebes- und Beziehungsgeschichten, was schon in vorherigen Werken wie "Letzte Warnung" zu ihren Markenzeichen gezählt wurde. Die "Gabe, alltägliche Begebenheiten, unzimperlich weiterzuvermitteln", gebe die Schriftstellerin aber niemals preis, wie ein Rezensent schon vor Jahren feststellte. Darin hat sich auch in den neueren Werken Meiers nichts geändert. Zu den ausgeprägten Eigenheiten der Schriftstellerin gehört aber auch der Mut zur verwackelten Formulierung, die besonders ihr früheres Werk auszeichnete. Mit "Schlafwandel" meldete sich Meier im Jahr 2006 nach sechsjähriger Stille zurück und beschritt wiederum Neuland, indem sie die Geschichte einer älteren Frau und deren Anspruch auf Glück und Liebe erzählte. Da diese Geschichte stilistisch ruhiger und versöhnlicher daher kam, wurde sie von den Kritikern aber zerrissen. Die neue Seite Helen Meiers lag fortan mehr im inhaltlichen als im sprachlichen Bereiche.


"Am Anfang stürzten die Geschichten über mich her und ich schrieb sie einfach so nieder", sagt Helen Meier. Sie habe sich regelmässig zwingen müssen, sich vom Text zu trennen und ihn nach einer gewissen Zeit wieder ganz neu gesehen. Das Grunderlebnis der Geschichte sei dann nicht mehr präsent gewesen und die Sprache umso näher gerückt. "Packt mich die Geschichte noch?", habe sie sich nach einiger Zeit immer gefragt und den Text verbessert und verbessert. "Die Geschichte muss so weit getrieben werden, dass sie mich später wieder packen kann. Sprache muss etwas Elegantes haben, sie muss wie ein Bach vorbeifliessen und Bilder, Vorfälle und Gedanken transportieren", so die Ostschweizer Schriftstellerin, die das Alter als Katastrophe betitelt und dennoch tatenlustig bleibt.


Zeit des Aufruhrs
Sie sei ungeduldiger als zu Beginn ihres schriftstellerischen Schaffens und spüre, dass sie nicht mehr so viel Zeit habe. "Das Alter ist für mich nicht die Zeit der Geduld und der Weisheit, sondern die Zeit des Aufruhrs und der Ungeduld", sagt Meier. Sie habe mit der Schubladenschreiberei begonnen und den Kasten voller Geschichten, die wohl nie das Licht erblicken würden. Man leide unter Zweifeln, müsse immer wieder von vorne beginnen. Doch stets habe sie weiterschreiben müssen. Eben auch jetzt. Die Erfahrung bringe mit sich, dass man Kritiken nüchterner aufnehme. Schliesslich sehe sie selbst, woran ihre Texte krankten. Egon Amman sei zudem unerbittlich und ein vortrefflicher Lektor, der nicht das Leiseste durchgehen lasse.


Die alten Menschen haben Meier schon zu Beginn ihres schriftstellerischen Schaffens begleitet. Sie faszinierten und erfüllten sie gleichzeitig mit Schaudern, so die Schriftstellerin. "Das Los des Menschen ist fruchtbar, seine Zeit ist beschränkt, er ist für den Tod bestimmt, darin ist er ärmlich und gefangen. Diese Fruchbarkeit wollte ich einfangen", sagt sie, die beim Erscheinen des ersten Werkes über 40 Jahre alt war und demnach den zweiten Lebensabschnitt bereits in Angriff genommen hatte. Selten sei ein Mensch rundum gelungen. Sein Schicksal, die Erziehung, die Bildung prägten ihn. Vieles müsse im Verlaufe des Lebens erarbeitet werden, anderes wieder sei Gnade. Es brauche beides: Jung und Älter. Die junge Frau im Werk "Die Novizin" hätte sie alleine gelangweilt. Erst mit dem Gegenpart der ironischen, zynischen Alten hätte sie Leben bekommen. "Die Würze entsteht aus der Relativität. Ein Buch muss nicht Weisheiten sagen, sondern das Leben einfangen".


Helen Meiers Werk:


· Trockenwiese, Zürich 1984
· Das einzige Objekt mit Farbe, Zürich 1985
· Das Haus am See, Zürich 1987
· Das Gelächter, Zürich 1989
· Lebenleben, Zürich 1989
· Der Thurgau und seine Menschen, Frauenfeld 1990 (zusammen mit Hans Baumgartner)
· Die Suche nach dem Paradies, Heiden 1991 (zusammen mit Lukas Hafner)
· Nachtbuch, Zürich 1992
· Die Thur, Frauenfeld 1992 (zusammen mit Dieter Berke und Heidi Steiger)
· Die Novizin, Zürich 1995
· Die gegessene Rose, Zürich 1996
· Letzte Warnung, Zürich 1996
· Liebe Stimme, Zürich 2000
· Adieu, Herr Landammann!, Herisau 2001
· Schlafwandel, Zürich 2006

 

Helen Meiers Auszeichnungen:


· 1984 Ernst-Willner-Stipendium beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt
· 1985 Rauriser Literaturpreis
· 1985 Preis der Schweizer Schillerstiftung
· 2000 Werkbeitrag der Stiftung Pro Helvetia
· 2000 Droste-Preis
· 2001 Kulturpreis des Kantons Sankt Gallen
· 2009 Ehrung des Kantons Appenzell Ausserrhoden


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