Das Glück in Amerika gesucht

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Überzeugte die Jury mit ihrer Arbeit: Clara Müller. Bilder: HelenBaur-Rigendinger.
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Die sympathische Preisträgerin spielt Klarinette, liest und ist ohne Handy glücklich.

"Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, als Siegerin aus diesem Wettbewerb hervorzugehen. Bei der Preisverleihung in Zürich bin ich richtig erschrocken, als mein Name aufgerufen wurde.", sagt die Preisträgerin und angehende Studentin der Geschichte, Clara Müller.  

Warum wanderten viele Melser zwischen 1841 und 1850 nach Amerika aus? In ihrer Maturaarbeit hat sich Clara Müller aus Mels mit vielschichtigen Fragen auseinandergesetzt. Am nationalen Geschichtswettbewerb Historia holte sie den ersten Preis.

 

Helen Baur-Rigendinger

02:06:2009

 

Die 13 Preisträger des nationalen Geschichtswettbewerbs Historia (Partnerin von "Schweizer Jugend forscht") sind bekannt. Als Gewinnerin des ersten Preises durften Sie in den vergangenen Tagen viele Glückwünsche und Komplimente entgegennehmen. Wie lebt es sich, wenn man als 18-Jährige plötzlich im Rampenlicht steht?

Clara Müller: Für mich ist das Ganze eine total ungewohnte und spezielle Situation. Natürlich ist es schön, dass mich viele ansprechen, aber ich stehe nun mal nicht gerne im Rampenlicht. Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, als Siegerin aus diesem Wettbewerb hervorzugehen. Bei der Preisverleihung in Zürich bin ich richtig erschrocken, als mein Name aufgerufen wurde.

 

Der Wettbewerb lockt Jahr für Jahr viele Jugendliche an, die mit Forschungsarbeiten glänzen. Sie sind eine von 70 jungen Personen, die sich beteiligt haben. Wie wurden Sie auf den Wettbewerb zum Thema "Grenzen" aufmerksam?

Professor Bernhard Zesiger, mein Geschichtslehrer und der Betreuer meiner Maturarbeit, machte mich im Frühjahr auf den Wettbewerb aufmerksam. Im April schickte ich die Unterlagen ein und erhielt später ein Anmeldeformular für die Preisverleihung.

 

Was hat Sie bewogen, den Ursachen auswanderungsfreudiger Melser im 19. Jahrhundert auf den Grund zu gehen?

Die Schweiz ist heute ein beliebtes Einwanderungsland. Viele sind sich gar nicht bewusst, dass allein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über 200'000 Schweizer nach Übersee ausgewandert sind. Auch das Sarganserland wurde mehrere Male vom "Auswanderungsfieber" ergriffen. Als Melserin mit lokalhistorischem Interesse habe ich mich gefragt, wie es diesbezüglich wohl in meiner Heimatgemeinde ausgesehen haben mag.

 

Wer packte seine Siebensachen und was waren die Gründe, Mels den Rücken zu kehren?

Vor allem junge Menschen und Familien hofften auf ein besseres Leben in Amerika. Die Hauptgründe waren der Mangel an Arbeit und Verdienst, die vielen Steuern und Abgaben, die verlockenden Aussichten in Amerika und die günstigen Berichte von vorausgegangenen Freunden und Bekannten.

 

Ihre Maturaarbeit gibt auch Einblick in die aufwändigen Vorbereitungen und in die beschwerliche Reise!

Vor der Abreise hatten die Auswanderer viele Vorbereitungen zu treffen. Der Besitz musste verkauft, Ausweispapiere besorgt und in den meisten Fällen ein Vertrag mit einem Agenten abgeschlossen werden. Fast alle Melser reisten über Le Havre und New Orleans nach St.Louis oder noch weiter den Mississippi hinauf.

Die Atlantiküberquerung auf dem Zwischendeck eines Segelschiffs dauerte mehrere Wochen und war oft beschwerlich. Viele Melser siedelten sich in Highland im Staat Illinois an. Es gab aber auch solche, die sich in Missouri, Indiana, Ohio, Iowa und Wisconsin niederliessen oder sogar nach Kalifornien zogen.

 

Planung bringt Erfolg - das gilt auch für die ausgezeichnete Maturarbeit. Wie sind Sie vorgegangen?

Ich packte das Ganze enthusiastisch an und stellte bald einmal fest, dass die Recherchen schwierig und auch zeitraubend waren. Ich fuhr mehrere Male nach St.Gallen, um im Staatsarchiv und Stiftsarchiv die verschiedenen Quellen zu konsultieren.

Dazu kamen Besuche auf dem Zivilstandsamt Mels und ein Besuch bei der Ortsgemeinde Mels. Besonders aufwändig war das Übersetzen respektive Entziffern handgeschriebener Dokumente.

 

Die vierjährige Ausbildung mit Schwerpunkt Latein an der Kanti Sargans geht mit grossen Schritten dem Ende entgegen. Wie sehen Sie dem Abschied entgegen? Was folgt danach?

Die Nervosität steigt! Wir drücken nur noch diese Woche die Schulbank. Danach beginnen die Maturaprüfungen. Es war eine schöne Zeit und der Abschied von guten Freunden wird nicht leicht fallen. Im Herbst beginne ich an der Uni Zürich das Geschichtsstudium.

 

Was macht Clara Müller, wenn sie sich nicht in Geschichtsbüchern vertieft?

Ich bin eine ganz normale junge Frau, die gerne liest, Klarinette spielt, das Leben geniesst.

 

Und das ohne Handy?

Sicher denken jetzt viele, dass ich altmodisch bin. Ich stehe dazu, dass ich dieses Gerät nicht pausenlos mit mir herum trage. Ist Bedarf da, lehne ich das Mobiltelefon meiner Mutter aus.

Das ist beispielsweise der Fall, wenn ich wandern gehe oder im Ausgang bin. Gute Dienste hat es auch geleistet, als ich meiner Familie nach der Preisverleihung die freudige Nachricht übermitteln konnte.

 

Reicht das Preisgeld für Ferien?

(lacht) Ich habe mir noch keine konkreten Gedanken gemacht, wie ich die 1000 Franken investiere. Informiert worden bin ich, dass ich ans europäische Jugendseminar eingeladen bin.

Schon heute freue ich mich auf Gespräche mit geschichtsinteressierten jungen Leuten aus verschiedenen Ländern.


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