Alter schützt vor Dummheit nicht – mitgehörtes Männergespräch

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Ein junges, anschmiegsames Thaimädchen für einen älteren Herrn, dem alle Schweizerinnen zu schlampig oder emanzenhaft sind.
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Was heisst schon Weisheit?

Meine Geschichte habe ich im Fressbalken in Würenlos erlebt. Sie hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin mir aber bewusst, dass sie in verschiedenen Richtungen ausgelegt werden kann. Nicht alle Thailänderinnen sind Schlampen, genauso wenig wie die Schweizerinnen. Und nicht alle jungen Männer sind klüger und weiser als die alten …


„Schweizer Frauen sind entweder Schlampen oder Emanzen“. Klar, dass mich dieser Satz des älteren Herrn am Nachbartisch aus den Gedanken weckt. Doch nicht bloss ich staune, nein auch sein männliches Mitte-dreissig-Gegenüber scheint nicht zu verstehen. „Wie meinst du das?“, fragt dieser jedenfalls weiter …

 

Cornelia Forrer

16:07:2012

 

„Schau, wenn du eine Frau um die 60 kennenlernen möchtest, dann gibt sie dir gleich zu verstehen, dass sie zwar mit dir ausgehen und vielleicht auch Sex haben will, dich aber keinesfalls an ihrer Seite möchte“. „Bist du dir da so sicher?“, fragt der junge Mann und schaut den älteren mit grossen Augen an. Seinen Erzählungen ist zu entnehmen, dass er viel reist und auch kein Kostverächter der weiblichen Gunst zu sein scheint.


„Ich war doch fast überall, doch ich mag die Schweizer Frauen am besten“, folgert der junge Mann. „Sie sind vorwiegend klug, manchmal wirklich gebildet, arbeitsam und gute Partnerinnen – und das nicht nur im Bett“, fährt er fort. „Das Problem ist bloss, dass diese Schlampen keine Kinder mehr wollen“, entgegnet der ältere Herr. Nicht, dass er welche wollte, doch die Gesellschaft müsste Kinder haben, um sich zu finanzieren. „Warte bloss, bis die Jugos kommen. Sie überrollen uns jetzt schon mit ihren Bälgern“.


Beim genauer Hinsehen fällt mir auf, dass der ältere Herr einen Ring trägt. „Welche Frau kann es bloss mit diesem eingebildeten, selbstverliebten Kerl aushalten?“, denke ich mir. An allen anderen Tischen sitzen Menschen, die immer mal wieder zu ihm hinsehen und teilweise den Kopf schütteln. Die Antwort gibt mir der 67Jährige gleich selbst: „Weisst du, ich muss noch viel arbeiten und kann mich nicht pensionieren lassen, wenn ich so eine junge Frau haben will“, erzählt er dem jungen Mann.


„Woher stammt sie denn überhaupt?“, fragt ihn dieser. Eine Thailänderin, jung, hübsch und arbeitsam. „Sie finanziert ihre Familie in ihrer Heimat. Mir gefällt das.“ „Und beteiligst du dich?“, fragt der junge Mann. „Nein, nein. Klar habe ich ihr ein Auto gekauft, damit sie zur Arbeit fahren kann. Klar bezahle ich ihren Unterhalt, weil sie ja nichts hat. Und klar übernehme ich die Kosten, wenn wir ausgehen. Schliesslich profitiere ich ja auch davon, wenn ich so eine schöne junge Frau mein Eigen nennen darf“.


Im Bett sei sie geradezu der Hammer. „Ich weiss nicht“, wird der junge Mann nachdenklich. „Mir würde das nicht reichen. Ich möchte eine Frau an meiner Seite, mit der ich alles teilen kann und die mir auf Augenhöhe begegnet. Eine Schweizerin eben. Es gibt keine besseren Frauen für mich“, fährt er fort. „Hast du eigentlich eine Freundin?“, fragt der Mitte-Sechziger. „Ich habe sie noch nicht gefunden, die Frau, bei der alles stimmt. Doch ich suche gerne weiter“, antwortet der junge Mann.


Er lasse sich Zeit, bis er sie finde. Seine Bisherigen seien zudem beste Freundinnen und wertvoll fürs Ausgehen und Gespräch. „Es sind keine Schlampen“, sagt er dann plötzlich. „Es sind tolle Frauen, die in der Arbeit ihren ‘Mann‘ stehen“. „Emanzen“, sagt der alte Mann dann lachend. „Das hat für mich so einen Beigeschmack, doch finde ich gut, wenn Frauen gleichberechtigt sind“, so der junge Mann. „Was rätst du mir also beziehungsmässig?“, wendet er dann ein und wirft einige Sprüche von Alter und Weisheit hinterher.


„Plane erst deine Karriere. Warte bis du ganz oben bist. Geniess die Schlampen im Bett und dann schaffst du dir aufs Alter eine junge Asiatin an. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie anschmiegsam und folgsam sie sind“. Der junge Mann hört ihm einfach zu und sagt nichts mehr. Seinen Mundwinkeln ist zu entnehmen, dass ihn das Gespräch anödet. „Ich weiss ja nicht“, sagt er dann. Ich habe ja alles, was ich brauche – bis auf eine Frau, mit der ich mein Leben teile und bei der ich einfach mich selber sein kann.


Für mich muss sie meine ‘Sprache‘ sprechen – und zwar in jeder Beziehung. Ich rede von Mentalität, von Augenhöhe, von Partnerschaft, von Erkennen und von Verstehen“. Der ältere Herr versteht gar nichts und sieht den jungen Mann an, als komme dieser von einem anderen Stern. Er überlegt eine Weile und hebt dann an, um eine Antwort zu geben. Seine Worte werden vom klingelnden Telefon übertönt. „Ja, Schatz, ich komme gleich. Ja, ja. Ja, natürlich hole ich dich ab. Ich muss nur meinen Freund hier noch verabschieden. Nein, ich lasse dich nicht warten …“ Er steckt das Telefon in die Tasche, steht auf und winkt dem jungen Mann zum Abschied zu.


Wir bleiben eine Weile sprachlos vor unseren Kaffees sitzen, während der ältere Herr längst seine pflegeleichte, arbeitsame und nicht-schweizerische Nicht-Emanze und Nicht-Schlampe abholt. Der junge Mann sieht mich plötzlich an. „Das kann es doch nicht sein, oder?“, sagt er zu mir. Ich zucke mit den Schultern. Er lacht mich an und sagt: „Alter schützt vor Torheit nicht!“ Er hätte sich vor mir geschämt, erklärte er. „Wie kann ein Mann in diesem Alter bloss so blauäugig sein? Und wie kann ein Mann so eine Meinung von den westlichen Frauen haben?“, sagt er zu mir und greift sich an die Stirn.


Wir verabschieden uns nach einer Weile von einander. Er geht in die andere Richtung weiter. Ich bleibe stehen und schaue ihm kurz nach. Er dreht sich um, winkt mir zu und ruft: „Schweizerinnen sind gute Frauen. Ich warte lieber auf die Richtige“. Dann wendet er, geht weiter und entschwindet im Dunkel des Korridors.


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