Ein Sommerausflug nach Hittisau? Gestickte Moral - Spruchtücher zwischen Tradition, Rollenzuschreibung und Illusion

11:07:2014

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Versuchung
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Team Frauenmuseum Hittisau Foto: Ines Agostinelli

Frauenmuseum Hittisau im Bregenzerwald
Stefania Pitscheider Soraperra
Direktorin 
Platz 501
6952 Hittisau Austria
T +43 664 88433169
Mail
www.frauenmuseum.at

Das Frauenmuseum Hittisau verwendet die Bezeichnung "'Frau" im Bewusstsein, dass es sich um ein Konstrukt handelt, das der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Normen dient. Die weiblichen Bezeichnung umfassen all jene physischen Personen, die gesellschaftlich als solche kategorisiert werden bzw. sich selbst als solche definieren.


Eine Ausstellung mit einer künstlerischen Intervention von Beate Luger-Goyer und Werken von Flurina Badel, Renate Hinterkörner, A.M. Jehle, Christine Lederer, Christine Pavlic, Carmen Pfanner, Maria Stockner und Zsófi Pittmann, kuratiert von Stefania Pitscheider Soraperra. Die Ausstellung dauert bis 8. Februar 2015.

 

Medienmitteilung

 

Gestickte Wünsche, Lebensweisheiten, Handlungsmaximen und Sinnsprüche waren in fast jedem Haushalt zu finden. In Küche und Stube, Schlafzimmer und Wäschekammer gaben sieben BewohnerInnen sinnige, religiöse, moralisch belehrende aber auch ironisch-subversive Weisheiten mit auf den Weg. Ihre Blütezeit erlebten gestickte Spruchtücher zwischen 1870 und 1930. In den Küchen vieler Haushalte waren sie aber noch bis in die 1950er Jahre hinein zu finden. Nach den Weltausstellungen der Gründerzeit vom Bürgertum in Mode gebracht, hielten sinnreich bestickte Textilien bald auch in bäuerlichen, kleinbürgerlichen und proletarischen Haushalten Einzug.

100 Spruchtücher


Für die Ausstellung hat das Frauenmuseum Hittisau hunderte Spruchtücher gesammelt – darunter auch von Migrantinnen mitgebrachte Tücher in kroatischer, italienischer, tschechischer oder ungarischer Sprache. "Die aufwändige Handarbeit war ein Mittel zur Verinnerlichung unverrückbarer Rollenzuschreibungen, zur Festschreibung von Klischees und zur Verklärung des eigenen familiären und sozialen Umfelds. Diese Spuchtücher sind aufschlussreiche kultur - und frauenhistorische Dokumente. Sie erzählen von Rollenfestschreibungen, von menschlichen Beziehungen als Wunschbild, Realität oder Bürde“, so die Direktorin des Frauenmuseum Hittisau, Stefania Pitscheider Soraperra.

"Froh erfülle Deine Pflicht und ....."


 "Wer sich die Mühe macht, einen halben Quadratmeter Leinen mit Worten zu besticken, muss etwas über sich und die Welt sagen wollen", meint Textilkünstlerin Beate Luger-Goyer. Beate Luger-Goyer ist Textilkünstlerin und Professorin an der Kunstuniversität Linz/textil.kunst.design. Sie hat zahlreiche Bühnen- und Kunstprojekte umgesetzt. Sie war künstlerische Leiterin des Textilsymposiums Textile Kultur Haslach und hat 2001 – gemeinsam mit Rudolf Habringer und Walter Kohl – das Projekt „Tritt ein bring Glück herein. Eine Spruchspur“ beim Festival der Regionen entwickelt. Für das Frauenmuseum Hittisau hat sie die Fassadeninstallation „Froh erfülle deine Pflicht und ...“ realisiert. 

Zeitgenössische Positionen  


Seit den 1990er Jahren bedienen sich KünstlerInnen zunehmend der Stickerei als Arbeitsweise und künstlerisches Medium. Die künstlerische Praxis des Stickens war traditionell ein Ausdruck bürgerlicher Ordnung und festgeschriebener Weiblichkeitsideale. In der zeitgenössischen Kunst mutiert das Sticken zu einer provozierenden Praxis, die ebendiese Ideale konterkariert und hinterfragt.   Die Ausstellung im Frauenmuseum wird durch Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen erweitert, die sich in ihrem Werk mit gestickten Bild-Text-Kontexten auseinandersetzen. Carmen Pfanner zeigt einen Bauplan zu ihrer installativen Arbeit „Corps Plastique“, in der sie sich mit dem Diktat der Schönheitsindustrie auseinandersetzt. Die Ungarin Zsófi Pittmann gestaltet Spruchtücher mit Popmotiven, die hölzernen Sitzbänke des Frauenmuseums werden von Christine Pavlic mit der Bohrmaschine bestickt, Flurina Badel sticht sich in ihrem Video in den Finger bis ihr gestickter Namenszug blutbefleckt ist, Christine Lederers Teppich sendet eine provokante Botschaft. Renate Hinterkörner bestickt fünf karierte Trockentücher mit den „Pflichten“ einer Ehefrau: Kinder, selbstlose Unterstützung des Gatten, Krankenpflege und Geschlechtsverkehr. A.M. Jehles Arbeit verwandelt ein harmloses Spruchtuch in eine pointierte politische Aussage.  


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