Vera Ida Müller: „deep field“

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Was beinhaltet für uns die Vorstellung vom Paradies?
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Ida Müller hat für die Ausstellung im Kunstverein Konstanz ein umfassendes Konzept erarbeitet.

Die Ausstellung der St. Galler Künstlerin Ida Müller im Kunstverein Konstanz wird noch bis zum 6. Juni 2010 gezeigt.

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Vera Ida Müller, 1979 in St. Gallen geboren, in Zürich lebend und arbeitend, verdichtet in ihrer Malerei Erinnerungen und gedankliche Entwürfe zu lebhaften Szenarien, in denen meist Personen in einem alltäglichen Umfeld, auf dem Campingplatz, im Wohnzimmer dargestellt sind. Bislang waren es meist fotografische Fundstücke, die den Malprozess auslösten – in jüngster Zeit ging die Künstlerin dazu über, die fotografische Vorarbeit selbst zu inszenieren, um im nächsten Schritt die malerische Transformation zu beginnen, für die eine Auflösung räumlicher Beziehungen, unscharfe Konturierung und eine oft überraschende Akzentuierung von Perspektive und Bildausschnitt kennzeichnend ist.

 

Dolores Claros-Salinas und Marie Lacher-Rapp

16:05:2010

 

Für ihre Ausstellung im Konstanzer Kunstverein hat die Künstlerin ein umfassendes Konzept erarbeitet, dessen Ausgangspunkt die Frage ist, wie eine zeitgenössische Paradies-Vorstellung malerisch umzusetzen sei. Als kunsthistorischen Horizont wählte Vera Ida Müller die Paradiesdarstellung Lukas Cranachs (Wien 1530): In leuchtenden Farben, um ein zentrales, üppiges Grün gereiht, treten uns Menschengruppen entgegen, Adam und Eva als inniges Paar im Vordergrund, der Sündenfall, die Vertreibung szenenartig im Hintergrund dargestellt.  

 

Vera Ida Müller nimmt das Vorgehen Cranachs, Mensch und Natur paradiesisch zu vereinigen, sehr eigenständig auf: sie hat 14 Freunde gebeten, sich in einem sommerlichen Park einzufinden und es sich wohl sein zu lassen, einzige Requisiten dabei: fünf Stühle und ein Stoß weißer Blätter. Die entstehende Szenerie hat die Künstlerin in annähernd 100 Fotografien festgehalten, die, zu Dias umgesetzt und an die Wand geworfen, Vorlagen für den Malprozess bildeten.

In diesem Prozess beleuchtet Vera Ida Müller in sechs großformatigen Arbeiten die unterschiedlichen Gruppierungen, die wechselnden Beziehungen der Beteiligten zueinander, wie sie einander die weißen Blätter reichen, um die Stühle herum auf dem Rasen kauern.

 

Von Bild zu Bild ändert sich nicht nur die Perspektive, sondern auch die Farbigkeit, helle Einstellungen gehen allmählich in dunkeltönige Darstellungen über – einzig die weißen, unbeschriebenen Blätter sind Leuchtzeichen – und halten die Frage aufrecht, was für uns die Vorstellung vom Paradies noch beinhalten mag.

 

Die weißen Blätter verweisen auch auf eine weitere Malserie, in deren Mittelpunkt die Darstellung von Kartenhäusern steht: helle, fragile Rechtecke sind zu unterschiedlichen Formen übereinander getürmt, den Moment eines ungewissen Gleichgewichts fixierend.

 

In einer dritten Serie, die räumlich getrennt im kleinen Oberlichtsaal des Konstanzer Kunstvereins präsentiert wird, stellt Vera Ida Müller die 14 Protagonisten ihres Paradies-Entwurfs in zeichnerischer Reduktion einzeln vor. Wie in ihren großformatigen Paradies­bildern arbeitet Vera Ida Müller auch in diesen Blättern ausschließlich mit Ölfarbe, schon darin die altmeisterliche Inspiration anerkennend.


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