Tag, Nacht, Halbmond

Bild
Goya, 2007. Öl auf Leinwand, 150 x 80 cm, Privatbesitz.
Bild
Tisch, 1988. Öl auf Holz, 69 x 39 cm, Privatbesitz

Leiko Ikemura. Tag, Nacht, Halbmond
bis 4. Januar 09

Museum zu Allerheiligen
Baumgartenstrasse 6
CH - 8200 Schaffhausen
T: 0041 (0)52 633 07 77
F: 0041 (0)52 633 07 88
W: www.allerheiligen.ch

Öffnungszeiten:
Di bis So 11 - 17 Uhr
Montag geschlossen.

Die in Deutschland lebende Schweiz-Japanerin Leiko Ikemura hat ein vielfältiges und international bekanntes Werk geschaffen. Nebst Gemälden und Skulpturen begeistern insbesondere ihre fabelhaften Zeichnungen. Diese eröffnen ein eigenwilliges Universum, belebt von mädchenhaften Wesen, von Tieren und Dingen, die nicht im Hier und Jetzt verankert sind, sondern eine geheimnisvolle Sphäre jenseits von Raum und Zeit bevölkern, sich in der grenzenlosen, umhüllenden Leere bewegen.

 

Pressedienst

26:12:2008

 

Einen besonderen Stellenwert im Schaffen der Künstlerin nehmen die mädchenhaften Wesen ein. Sie tanzen, schweben, fliegen, fliehen, tauchen ein oder verglühen. Dabei ist die Horizontlinie oft die einzige räumliche Referenz im Bild. Ikemura, die selbst am Meer aufgewachsen ist, spricht von der Faszination über das Nie-Zusammenkommen von Himmel und Erde, vom ewigen sich Annähern zweier Elemente.

Zugleich ist der Horizont ein Sinnbild für Übergänge, etwa vom Land oder Wasser zum Himmel, vom Tag zur Nacht, vom Leben zum Tod. Auch die Mädchen befinden sich in einem Stadium des Übergangs, sie sind nicht mehr Kind und noch nicht Frau. Die Horizontlinie charakterisiert eine Zeitspanne oder schafft einen Zustand, in dem alles möglich scheint. Dieser Moment mutet daher geheimnisvoll, ja geradezu mysteriös an.



Im Werk der Künstlerin fällt eine Verwandtschaft mit dem japanischen Haiku auf. Dieses dreizeilige Kürzestgedicht besticht durch seine Präzision, Suggestivität und Künstlichkeit gleichermassen. In knappen Worten erzeugt es Bilder von unnachahmlicher Schönheit - insofern muten gerade Ikemuras Zeichnungen an wie Bild gewordene Haikus.

Ihnen ist dieselbe Reduziertheit und Klarheit, zugleich aber auch das nicht völlig Fassbare eigen. Auf den ersten Blick sind Menschen, Tiere, Mischwesen, Pflanzen, Gegenstände, Landschaften, Meer, Himmel oder Mond erkennbar, doch beim genaueren Betrachten entziehen sie sich der Eindeutigkeit. Zurück bleibt ein Rest von Unergründbarem.



Ikemura malt immer wieder auch reine Landschaftsbilder. Aquarelle, filigran und transparent oder Gemälde in glühenden Farben, die sich ineinander verweben. Diese reinen Landschaftsbilder sind zeitlos, und aus dieser Zeitlosigkeit spricht eine angefüllte, eine «volle» Leere.

Dasselbe gilt auch für Ikemuras Plastiken. Sie besitzen zwar eine viel stärkere Materialität. Doch wie den Zeichnungen und Gemälden ist Ihnen jene «spukhafte» Innerlichkeit eigen, man braucht nur die liegenden Mädchen und Frauengestalten anzuschauen, die zu schlafen und zu träumen scheinen.



Obwohl oder gerade weil Ikemuras Universum letztlich nicht zu fassen ist, bietet es ein weites Feld für die Imagination. Das Werk in seiner Vielschichtigkeit verlangt dem Betrachtenden einiges ab. Vordergründige Schönheit erleichtert den Einstieg, nicht aber die Auseinandersetzung mit dem, was dahinter steht, mit den Höhen und Tiefen, mit dem Lachen und Weinen, mit der Lust und dem Schmerz, mit der Freude und der Trauer. Erstmals werden in einem Überblick zahlreiche, grösstenteils noch nie ausgestellte Zeichnungen sowie wichtige Gemälde und Skulpturen aus allen Schaffensperioden zu sehen sein. Hortensia von Roda


Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch), der reich bebildert die Arbeiten von den achtziger Jahren bis in die Gegenwart dokumentiert und in Textbeiträgen erläutert: «Leiko Ikemura. Tag, Nacht, Halbmond / Day, Night, Halfmoon». Mit Beiträgen von Roger Fayet, Isabelle Köpfli, Donald Kuspit, Hortensia von Roda, Eva Scharrer. Scheidegger & Spiess, Zürich. 2008, 368 Seiten. Preis: Ausstellung CHF 68.-, Buchhandel CHF 79.- / Euro 52.-.


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