Der Hierarchie-Code - Interview mit Maria Hof-Glatz

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Maria Hof-Glatz war vergangenen Freitag zu Gast im BALance netz St.Gallen. Bilder: Jolanda Spirig
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Die Autorin las in der Neugasse 43 aus ihrem neusten Buch.

Informationen

Der Weg zum Buch:
www.books.ch.

Das Trainings- und Seminarangebot von Maria Hof-Glatz bei:
www.hof-glatz.de.

Berufliche Ausbildungs- und Laufbahnberatung BALance netz St.Gallen über:
www.balance-netz.ch.

Maria Hof-Glatz hat Pädagogik und Psychologie studiert und war lange Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sowie freie Mitarbeiterin bei Rundfunk und Printmagazinen. Seit 1990 arbeitet sie als Beraterin mit Schwerpunkt Zeit- und Konfliktmanagement, Kommunikation und Erfolgsstrategien. Die Autorin hat bereits einige Bücher veröffentlicht, soeben ist ihr neustes Buch im Orell Füssli Verlag erschienen: "Wie kitzle ich den Tiger, wenn er knurrt? - So knackt Frau den Hierarchie-Code".

 

Jochen Mai

08:04:2008

 

Frau Hof-Glatz, Sie beschreiben in Ihrem Buch typisch männliche Machtspiele. Dabei entsteht der Eindruck, Sie halten Männer durchweg für Hundertsassas, die ihre Karriere allein der Schaumschlägerei und geschicktem Selbstmarketing verdanken.
Das Männlichkeitskonzept ist ein Unsicherheitskonzept und wirkt lediglich stark, wenn der Umgang mit hierarchischen Regeln beherrscht wird. Die Jungs sind nicht so taff wie sie sich geben! Die patriarchale Kultur stützt die Männer und vermittelt Frauen die Illusion ihrer Stärke. Ein Trugbild. Nehmen Sie den Männern einfach mal die Hierarchie weg und beobachten sie Herrn Direktor Winter, wenn er Herr Winter ist, zum Beispiel auf der Elternversammlung. Da schrumpft der starke Max zum stillen Mäxchen. Persönlich sind Männer mindestens genau so verletzlich wie Frauen, nur geben sie sich das Image des Tausendsassas. Frauen müssen also damit rechnen, dass alles ganz anders ist, als es aussieht. Und das bedeutet: Sie müssen das System und seine Regeln kennen lernen, die Personen beobachten und erst dann bewerten. Die mit Statussymbolen bewehrten Ritter sind im Innern empfindliche Diven, die Übergriffe nicht verzeihen. Sie wollen gewürdigt werden, ob sie es verdienen oder nicht. Wenn Frauen also damit rechnen, dass Männer sich ein divenhaftes Verhalten leisten, dann gehen sie vorsichtig genug mit ihnen um.


Sie schreiben, Frauen fällt es schwer, zwischen Hochstapelei und einer "sich selbst in Gang lügenden Erfolgsdynamik" zu unterscheiden. Was meinen Sie damit?
Frauen durchlaufen eine persönlichkeits- und beziehungsorientierte Sozialisation, die nicht hierarchisch ausgerichtet ist. Diese Beziehungsarbeit funktioniert nur, wenn Offenheit und Authentizität wichtige Werte sind. Im Berufsleben dagegen herrscht Konkurrenz. Damit rechnen Frauen zunächst nicht, sondern setzen auf Kooperation. Konkurrenz arbeitet mit Machtspielen und strategischem Verhalten. Da sind diese weiblichen Werte fehl am Platz.


Eine Ihrer Thesen ist, dass Männer Frauen bewusst klein halten - mit Mitteln wie schmeicheln, ablehnen, vertrösten. Bauen Sie da nicht ein archaisches Rollenverständnis auf: der Feind in meinem Büro.?
Mir geht es genau um das Gegenteil. Ich will dafür sensibilisieren, womit frau rechnen muss. Männer gehen spielerisch mit strategischem Verhalten um. Es kann sein, dass ein männlicher Mitbewerber auf eine Position alle Register zieht und seine Konkurrentin betört. Dabei geht es ihm nicht um ihre Person, sondern um sein Ziel. Das muss Frau wissen. Wenn Männer sich in Konkurrenz mit Frauen befinden und befürchten müssen zu unterliegen, dann ist diese Niederlage schmerzlicher als gegen einen Mann zu kapitulieren. Der Konkurrenzkampf mit Frauen ist kein Bruderkampf bei dem Mann Revanche fordern kann. Ein Unterliegen endet mit Gesichts- und Potenz(ial)verlust. Ich erinnere nur an die Wahlniederlage von Gerhard Schröder und seine unkontrollierte Reaktionen gegenüber Angela Merkel - als Frau. Rückfälle ins archaische Verhalten gibt es immer wieder. Wichtig ist, dass Frauen diese Situationen beherrschen. Frauen sind im Berufsleben eine starke Konkurrenz: Sie erbringen hervorragende Leistungen und sind in dieser Hinsicht kaum zu schlagen. Ihr Schwachpunkt ist der Umgang mit dem hierarchischen System und ihr Bedürfnis nach Akzeptanz und Harmonie. Barbara Streisand drückte es so aus: In vermintem Gelände sind alle Männer Gentlemen, nach dem Motto: ladies first.


Was gehört Ihrer Meinung nach zum Hierarchie-Code in den Unternehmen?
Hierarchien bestehen aus Rängen. Dabei geht es um Konkurrenz und Macht. Jeder ist mit jedem im Wettbewerb. Es gibt Rituale, die verbinden; die Zugehörigkeit anzeigen und schützen; andere wiederum schließen aus. Der Machtinhaber wird nicht kritisiert, nicht angegriffen. Unangenehme Wahrheiten werden angepasst weiter gegeben, das nennt Mann Diplomatie. Auch Kollegen gegenüber werden Kritik und Konflikte indirekt gehandhabt. Der Kommunikations-Code ist indirekt. Das bedeutet, dass man sich mit Andeutungen und Vieldeutigkeiten begnügt. Bedeckthalten, nach allen Seiten offen bleiben, sich nicht voreilig festlegen - das sind die Bestandteile des hierarchischen Kodex.


Jetzt mal Tacheles: Wie kommt Frau denn nun nach oben?
Zunächst gelten für Frauen dieselben Bedingungen wie für die Männer: Leistung ist die Grundvoraussetzung. Darüber hinaus muss sie herausfinden, wie die Organisation funktioniert, wer inoffiziell das Sagen hat, welche Koalitionen bestehen. Genauso wichtig ist es, die eigene Machtkompetenz zu entwickeln: Machtquellen kennen, pflegen und nutzen, Machtstrategien kennen und einsetzen - kämpferische und friedliche, Eskalation einsetzen und aushalten können sowie über Versöhnungstechniken verfügen. Frauen brauchen Netzwerke, allerdings nicht sympathieorientierte, sondern strategische, um sich zu positionieren und durchzusetzen. Wer auf Respekt statt auf Akzeptanz setzt, verlässt nun mal die eigene Komfortzone und muss Angriffe aushalten, fordern, sich durchsetzen und abgrenzen. Nach oben gelangt nur, wer durch gelassen wird. Also müssen sich Frauen neben Leistungszielen auch persönliche Allianzen zu Förderern schaffen. Wesentlich ist dabei für die Frauen zu erkennen, ob sie eine reale Chance in der Organisation haben. Damit meine ich keine Bevorzugung von Frauen, sondern ob das Unternehmen gegenüber ihren Karriereansprüchen aufgeschlossen ist und auf ihre familienorientierten Bedürfnisse eingeht. Wenn diese Bereitschaft nicht vorhanden ist, verschwenden Frauen nur Zeit und Energie.


Sie sagen, eines der Hauptprobleme ambitionierter Frauen sei der Verrat an bisherigen Weggefährtinnen und gleichzeitige Verbrüderung mit den Männern. Ist das nicht eine seltene Ausnahme?
Leider nein. Die meisten Machtinhaber sind männlich und wenn frau sich mit ihnen gut stellt, ist das okay. Aber leider vergessen viele Frauen Seilschaften nach unten herzustellen, oder schlimmer: Sie grenzen sich plötzlich nach unten ab. Vermutlich wollen sie ihre hart erkämpfte Position sichern und glauben, das ginge am besten, wenn sie sich mit Männern gut stellten. Zum anderen ist die Solidarität unter Frauen nicht gerade ausgereift: Neid und Konkurrenz sind verdeckt, aber stark vorhanden. Bei Frauen gibt es keine Tradition verbindender Erlebnisse wie zum Beispiel Militär- und Kriegserfahrungen. Und unbewusst ist der Karrierefrau klar, dass nur wenige Positionen an Frauen vergeben werden und da will sie sich nicht in Gefahr bringen, indem sie sich mit anderen Frauen solidarisiert.


Gibt es noch andere typische Fallen, in die Frauen auf der Karriereleiter tappen?
Neben dem fehlenden Wissen wie patriarchale Organisationen funktionieren und der unterentwickelten Machtkompetenz gibt es klassische Fehleinschätzungen: Junge Frauen glauben etwa, wenn die Leistung stimmt, klappt das mit der Karriere schon. Oder der fatale weibliche Hang, sich einzumischen und anderen gleich zu helfen, was als Besserwisserei und fürsorgliche Dominanz ausgelegt wird. Frauen schätzen Offenheit als wichtigen Wert, aber genau das verhindert strategisches Vorgehen.


Sollten Frauen ihre Weiblichkeit - und die damit verbundenen Reize - denn nun eher ausspielen oder kaschieren?
Frauen dürfen zu ihrer Weiblichkeit stehen. Sie müssen sich aber ebenso bewusst sein, dass erotische Signale im Job nicht angebracht sind. Im Beruf geht es darum, die Regeln zu erfüllen, um akzeptiert zu werden. Wenn frau eine Machtposition einnimmt, kann sie auch weiblicher sein, aber sie darf nicht damit reizen. Aber bis sie so weit ist, haben äußere Signale der Kooperation, etwa Dresscodes, enormen Bündniswert.


Sie sagen ebenfalls, Männer und Frauen sprechen unterschiedliche Sprachen - und missverstehen sich dabei gründlich. Was empfehlen Sie dagegen?
Männer nehmen Frauen im Beruf erst ernst und damit auch ihre Aussagen, wenn sie ihren Rang eingenommen haben. Frauen wiederum rechnen nicht mit der Sensibilität der Männer untereinander und gegenüber dem Chef. Im Gespräch gilt zum Beispiel: Der Status rangiert vor dem Inhalt. Das bedeutet, dass sie genau überlegen sollte, welche Inhalte in welcher Form gegenüber Ranghöheren kommuniziert werden dürfen. Wahrheiten sollten etwa auf die Dosis angepasst werden, mit der der Machtinhaber leben kann. Direkt zu konfrontieren und zu kritisieren ist tabu. Frauen müssen lernen, indirekt zu kommunizieren und die indirekten Aussagen von Vorgesetzten und Kollegen richtig zu interpretieren. Umgekehrt sind sie bei Themen aus Höflichkeit indirekt bei denen Männer Deutlichkeit brauchen - etwa wenn es um das Gehalt, Zielvorgaben oder Anweisungen geht. Das müssen Frauen erst lernen.


Halten Sie sich selbst an diese Ratschläge?
Selbstverständlich. Die Erkenntnis des indirekten Verhaltens bei Konflikten und das direkte Vorgehen, wenn es um Ziele und Anweisungen geht, sind für mich heute wesentliche Faktoren. An einigen Stellen bin ich oft noch zu direkt und bemerke, wie Männer sich zurücknehmen, wenn die Themen zu persönlich werden, die ich gar nicht so bedrohlich finde. Mein Wissen um die hierarchische Kultur verschafft mir aber heute ein klareres Bild. Ich bin überzeugt, dass Frauen nicht die Männer bekämpfen müssen. Wenn sie als gewiefte Mitspielerinnen auftreten, können sie sich die Männer zu Partnern machen.

 

Das Interview ist am 31. März 2008 auf www.karrierebibel.de erschienen.


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