"Ich will Moldawien etwas zurückgeben"

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Patricia Kopatchinskaja: "Ich habe sehr viel Glück gehabt." Bild: ZVG
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Millionen von Kindern führen ein unwürdiges Dasein. Bild: Terre des hommes.

PATRICIA KOPATCHINSKAJA

Die Moldawierin wurde 1977 in der ehemaligen Sowietunion geboren. Beide ihrer Eltern waren Musiker; die Mutter spielte Geige und der Vater Cymbalon.

Ab dem sechsten Altersjahr nahm sie Klavier- und Geigenunterricht. Mit 12 Jahren emigrierte die Familie nach Österreich. Als Studentin kam sie in die Schweiz, nach Bern.
Im Jahr 2000 schloss sie ihre Ausbildung am Konservatorium für Musik in Bern ab. Sie gewann diverse Preise.

Kopatchinskaja ist als Solistin mit führenden Orchestern aufgetreten, wie den Wiener Philharmonikern, dem Mozarteum Orchester Salzburg, dem Philharmonia Orchestra London u.v. andern.

"Stellen Sie sich vor: In Moldawien wird mit Kindern gehandelt", sagt die Weltklasse-Geigerin Patricia Kopatchinskaja, "das ist furchtbar". Auch deshalb ist sie musikalische Botschafterin von Terre des hommes.

 

Eveline Kobler

22:06:2009

 

Am 24. Juni wird Patricia Kopatchinskaja mit Terre des hommes nach Moldawien reisen.

Moldawien ist das Land, in dem sie ihre ersten 12 Lebensjahre, bis 1989, verbrachte. Das Ende des Kalten Krieges hat sie als Kind im Moldawien miterlebt.

Sie erzählt, wie sich das Leben damals auf einmal verändert habe: "Plötzlich wurde uns die Sprache sehr bewusst. Wir hatten als Staatssprache nur russisch gehabt. Und sie wollten uns weismachen, dass moldawisch und rumänisch zwei verschiedene Sprachen sind. Das ist natürlich Unsinn, denn es ist dieselbe Sprache. Wir mussten moldawisch mit kyrillischen Buchstaben schreiben."

Kopatchinskajas Muttersprache ist Moldawisch, ein Dialekt des Rumänischen, daneben spricht sie Russisch und Deutsch.

Während der Zeit der Wende emigrierte sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Wien, wo sie die Musikhochschule absolvierte und von wo aus sie in die Schweiz kam.

 

Glück in der Schweiz

"Ich hatte sehr viel Glück in der Schweiz", erzählt sie. Sie konnte bei einem der besten Violinprofessoren der Welt, Igor Ozim, studieren. Der erste Preis, den sie in der Schweiz gewann, war der Tschumi-Preis, der für das beste Solisten-Diplom vergeben wird.

Im Jahr 2002 gewann sie den den Credit-Suisse-Award. "Dieser Preis war etwas sehr Wichtiges in meinem Leben. Ich konnte ein paar Jahre davon leben und weiter üben und weiter an meinem Repertoire arbeiten."

 

Eine Individualistin

Heute ist Patricia Kopatchinskaja eine der bekanntesten Geigerinnen der Welt. Sie spielt in grossen Konzertsälen mit bekannten Musikern und Orchestern. Sie lebt in Bern, ist verheiratet und hat eine kleine Tochter.
Für die nächsten drei Jahre sei sie ausgebucht, erzählt sie. Sie wird von Kritikern gelobt und kritisiert, weil sie eine Individualistin ist, die auch musikalisch ihren eigenen Weg geht.

Ihre Interpretationen der klassischen Werke seien zuweilen radikal, schreibt die Presse. Und sie fällt schon deshalb auf, weil sie immer barfuss auf der Bühne steht. Ihre Vorliebe sind zeitgenössische Komponisten.
Mit dem türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say arbeitet sie eng zusammen, ihre letzte CD enthält gemeinsam interpretierte Stücke.

 

Stark verändert

Nun reist die Weltklasse-Geigerin mit dem Kinderhilfswerk Terre des hommes nach Moldawien. Es ist nicht das erste Mal, dass sie nach der Loslösung des Landes von der Sowjetunion nach Moldawien reist.

Das Land habe sich in den letzten Jahren stark verändert. Es sei das ärmste Land Europas geworden. Auch die Mentalität der Menschen habe sich durch die Armut verändert, findet sie. In ihrem täglichen Kampf ums Überleben interessierten sie sich kaum mehr für Kultur.

 

Kinderhandel in Moldawien

"In Moldawien wird mit Kindern gehandelt. Ich habe erst durch den Kontakt mit Terre des hommes davon erfahren. Kinder werden entführt oder sogar von ihren eigenen Eltern verkauft, aus Armut", erzählt die musikalische Botschafterin von Terre des hommes,"und zudem gibt es in Moldawien ganze Dörfer ohne Eltern. Die Eltern gehen ins Ausland und lassen die Kinder allein oder mit den Grosseltern zurück."

Terre des hommes habe in Moskau ein Büro eröffnet und die nach Moskau verkauften oder entführten Kinder gesucht. Rund 70% der Kinder könnten wieder nach Hause gebracht werden, erzählt sie. Doch die Re-Integration in die moldawische Gesellschaft ist nicht so einfach.

Die Organisation baut zur Zeit lokale Kinderschutzeinheiten auf, die später zu einem landesweiten Kinderschutzsystem zusammengeschlossen werden sollen. Diese Projekte und einige musikalische Ausbildungsstätte wird Kopatchinskaja auf ihrer Reise besuchen. Sie wird auch mit jungen Musikerinnen und Musikern auftreten und einen Förderpreis vergeben.

"Ich unterstütze die Hilfsorganisation Terre des hommes, weil sie von Grund auf versucht, die Situation der Kinder zu verbessern"., sagt sie. "Ich wollte schon immer etwas zurückgeben. Ich habe so viel Glück gehabt, so unheimlich viel Glück."

 

Quelle: Radio SRI/ swissinfo.ch.


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