HarmoS ist keine Wundertüte

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Helga Klee: Harmonisieren heisst nicht uniformisieren und schon gar nicht zentralisieren.
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HarmoS steht für die Harmonisierung der obligatorischen Schule

"HarmoS bringt mehr Chancengleichheit und die Möglichkeit, Leistungen zu vergleichen. Das Reformprojekt ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung."
Helga Klee

Eine exzellente Aus- und Weiterbildung ist ein Schlüsselfaktor für die Schweiz. Als kleine, offene Volkswirtschaft müssen die Schweizer Schülerinnen und Schüler zu den Klassenbesten gehören. Für die Qualität der Ausbildung kommt der Volksschule eine Schlüsselfunktion zu.

 

Helga Klee, FDP Kantonsrätin und Schulratspräsidentin

02:09:2008

 

Zwar haben die Bildungsmodelle der 68er ausgedient - wer das Gegenteil behauptet, kennt die Situation in den Klassenzimmern nicht -, doch besteht weiterhin Verbesserungsbedarf. Dies zeigen beispielsweise die PISA-Studien. Die FDP will, dass sich Leistung auch in der Schule lohnt - sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrpersonen. Eine frühere Einschulung gehört ebenso zu einer Verbesserung der Volksschule wie die (Wieder-) Einführung der Bewertung der schulischen Leistung durch Noten.

 

HarmoS bringt mehr Chancengleichheit und die Möglichkeit, Leistungen zu vergleichen. Das Reformprojekt ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Falsch sind Behauptungen, wonach mit HarmoS die Erziehung der Kinder an die Schule und damit an den Staat delegiert oder den Vätern und Müttern dadurch gar die Erziehungsgewalt entrissen würde.
Die Eltern bleiben in der Erziehungsverantwortung. Die Schule ist da, um Wissen zu vermitteln und die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit zu unterstützen.
Aus Sicht der Schulpraxis sind insbesondere die frühere Förderung ab vier Jahren und die bedarfsgerechten Angebote von schulischen Tagesstrukturen ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit im Schulwesen.

Das HarmoS-Konkordat will die Ziele des Unterrichts und die Schulstrukturen harmonisieren und die Qualität und Durchlässigkeit des Schulsystems verbessern, wie dies die Bundesverfassung verlangt. Dieses Konkordat steht nun nach intensiven Beratungen und Vernehmlassungen bei den Kantonen und Sozialpartnern in der Ratifizierungsphase. In unserem Kanton wurde es im Kantonsrat beraten und mit grossem Mehr gutgeheissen.


Opposition am falschen Objekt

Aus unterschiedlichen Gründen wurde das Referendum gegen den Kantonsratsbeschluss ergriffen, dies obwohl alle Punkte, die im HarmoS- Konkordat enthalten sind, bereits im Volkschulgesetz verankert sind. Selbst wenn das Referendum beim Volk auf Zustimmung stiesse, würde das in unserem Kanton nichts ändern. Das interessiert jedoch die Gegner dieses Konkordats keinen Deut.
Sie behaupten Dinge, welche schlicht nicht stimmen. So unter anderem, dass HarmoS eine Vereinbarung sei, die ohne Einbezug der Schulpraxis zustande gekommen sei. Zudem schade die frühere Einschulung den Kindern bzw. dem Kindergarten, entmündige die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder und zerstöre die Familien. Ich und mit mir viele Lehrpersonen und Eltern teilen diese Auffassung in keiner Weise.

Bereits heute ist der Besuch des zweijährigen Kindergartens in einigen Kantonen obligatorisch, und in den anderen Kantonen absolvieren fast alle Kinder mindestens ein Kindergartenjahr auf freiwilliger Basis. Die positive Wirkung des vorschulischen Unterrichts auf die spätere Schulkarriere ist durch mehrere Studien eindrücklich belegt.
Mit der Umsetzung des HarmoS-Konkordates erhalten alle Kinder die gleichen Möglichkeiten für den Besuch des Kindergartens. Daher ist das Obligatorium ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit im Schweizer Schulwesen.

Mit HarmoS wird es zudem auch künftig möglich sein, im Kindergarten dem Alter entsprechend spielerisch zu lernen. Von einer verfrühten Einschulung zu sprechen ist daher falsch. Das Primat der Erziehung bleibt weiterhin bei den Eltern, und über die Nutzung von ausserschulischen Betreuungsangeboten (Tagesstrukturen) entscheiden ebenfalls die Eltern.



Was will HarmoS ?

Die "Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule" (HarmoS-Konkordat) ist ein neues schweizerisches Schulkonkordat. Erarbeitet wurde es von der Schweizerischen Konferenz der 26 kantonalen Erziehungsdirektoren und -direktorinnen (EDK). Kantone, die dem HarmoS-Konkordat beitreten, verpflichten sich dazu, Ziele und Strukturen der obligatorischen Schule anzugleichen.
Die Kantone wollen mit dem HarmoS-Konkordat die obligatorische Schule in der Schweiz weiter harmonisieren, auf nationaler Ebene einen Beitrag zur Qualitätssicherung und -entwicklung leisten, die Durchlässigkeit im System sichern (keine Sackgassen) und Mobilitätshindernisse abbauen.



Wann tritt das HarmoS-Konkordat in Kraft?

Das Konkordat tritt in Kraft, wenn zehn Kantone beigetreten sind. Dann gilt es für die Kantone, welche den Beitritt beschlossen haben. Ab In-Kraft-Treten haben die Kantone sechs Jahre Zeit, ihre Strukturen anzupassen (Einschulung, Dauer der Schulstufen) und die Bildungsstandards anzuwenden. Später beitretende Kantone haben sich an die gleiche Frist zu halten.
Am 21. Mai 2006 hat das Schweizer Stimmvolk die revidierten Bildungsartikel in der Bundesverfassung mit 86% sehr deutlich angenommen. Die Bildungsartikel bestätigen die Zuständigkeiten im Schweizer Bildungswesen. Neu sind die Bildungsverantwortlichen (also die Kantone und je nach Bildungsstufe Bund und Kantone zusammen) per Verfassung verpflichtet, wichtige Eckwerte im Bildungsbereich national einheitlich zu regeln.

Mit dem HarmoS-Konkordat erfüllen die Kantone alle Vorgaben von Art. 62 Abs. 4 Bundesverfassung für die obligatorische Schule. So harmonisiert das Konkordat erstmals national Dauer und die wichtigsten Ziele der Bildungsstufen sowie deren Übergänge. Gleichzeitig werden die bisherigen nationalen Lösungen im Schulkonkordat von 1970 bezüglich Schuleintrittsalter und Schulpflicht aktualisiert.



Wird nun alles gleich?

Harmonisieren heisst nicht uniformisieren und schon gar nicht zentralisieren. HarmoS berücksichtigt die Mehrsprachigkeit in unserem Land, die kantonalen Zuständigkeiten und die hohe Verankerung der Schule vor Ort.

National wird nur das Wichtigste harmonisiert: Ziele und Strukturen sollen gleich sein. Lehrpläne und Lehrmittel werden sprachregional koordiniert. Mit dem HarmoS-Konkordat werden zwei Jahre Kindergarten obligatorisch. Der Stichtag wird vereinheitlicht. Kinder, welche bis am 31. Juli eines Kalenderjahres ihren vierten Geburtstag feiern, treten Mitte August in den Kindergarten ein. Damit besuchen alle Kinder im 5. Altersjahr den Kindergarten. Wie bisher wird es für die Eltern möglich sein, individuelle Gesuche für spätere Einschulung zu stellen. Das Vorgehen wird wie bis anhin kantonal geregelt.



Schulobligatorium 11 Jahre

Die Primarschule inklusive Kindergarten dauert acht Jahre, die Sekundarstufe drei
Jahre. Erstmals wird auf gesamtschweizerischer Ebene festgelegt, in welchen Fachbereichen jedes Kind während der obligatorischen Schule eine Grundbildung erhalten soll. Es sind dies: Sprachen (Schulsprache, 2. Landessprache und eine weitere Fremdsprache), Mathematik und Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, Musik/ Kunst und Gestaltung, Bewegung und Gesundheit.

Künftig wird es nur noch einen Lehrplan pro Sprachregion geben. Auch die Lehrmittel werden sprachregional koordiniert. Lehrpläne, Lehrmittel und Evaluationsinstrumente werden sich an den nationalen EDK-Bildungsstandards ausrichten.



Sprachenunterricht

Eine erste Fremdsprache wird - nach der neuen HarmoS- Zählung - spätestens ab dem 5. Schuljahr unterrichtet, eine zweite spätestens ab dem 7. Schuljahr. Das sind eine zweite Landessprache und Englisch.
In beiden sind per Ende der obligatorischen Schule vergleichbare Kenntnisse zu erreichen. Das HarmoS-Konkordat bildet die rechtliche Basis für die Entwicklung und zukünftige Anwendung von verbindlichen, nationalen Bildungsstandards für die obligatorische Schule durch die EDK.
Das können entweder Standards sein, welche die zu erreichenden Kompetenzen vorgeben, oder Standards, welche inhaltliche Vorgaben für einen Fachbereich machen oder Umsetzungsbedingungen benennen.



Blockzeiten, Tagesstrukturen

Die Einführung von Blockzeiten und Tagesstrukturen ist ein laufender Prozess in den Kantonen und nicht von HarmoS abhängig. Die beitretenden Kantone verpflichten sich dazu, die Unterrichtszeit auf Primarschulstufe vorzugsweise in Blockzeiten zu organisieren. Weiter verpflichten sie sich dazu, dem Bedarf vor Ort entsprechende Tagesstrukturen anzubieten.

Die Nutzung der Tagesstrukturen ist freiwillig und in der Regel beitragspflichtig. Die Organisation von Tagesstrukturen erfolgt in Zusammenarbeit mit der Familien- und Sozialpolitik. Das HarmoS-Konkordat gibt nicht ein "nationales Modell" vor. Vielmehr sollen unterschiedliche Angebote möglich sein, je nach Bedarf und Situation vor Ort.


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