Kopftuchverbot als Garant weiblicher Freiheit?

02:06:2014

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Esther Gisler Fischer mit Kopftuch; nicht immer aber immer öfter
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Esther Gisler Fischer ist Religionswissenschafterin und Integrationsfachfrau und wohnt in Dietlikon / ZH. Mehr über und von Esther Gisler Fischer unter www.contextus.ch.

Mit anfänglichem Interesse und späterem Kopfschütteln habe ich den Kommentar von Frau Liedke aus Schönenberg ZH vom 23. Mai 2014 unter dem Titel „Kopftuchverbot?“ gelesen. Eindrücklich beschreibt sie, wie sie ihre Tochter mit Down-Syndrom begleitet in Fragen des passenden Outfits für eine junge Frau. Deren Beharren auf dem Tragen eines Hiphopper-Käppis quittiert sie als Mutter mit dem Gedanken „Wenigstens ist es kein Kopftuch!“. Und weiter: „Jetzt wissen wir ja, dass die Wahl, ein Kopftuch zu tragen, selten ein wirklich selbstbestimmter Entscheid ist, sondern von der Religion und von den Männern und Vätern verlangt und bestimmt wird.“

 

Esther Gisler Fischer, Dietlikon ZH

 

Ich frage mich, wie die Autorin zu dieser Aussage kommt: Woher sollen wir das wissen? Aus Gesprächen mit Betroffenen? Wohl eher nicht, denn da würden wir auf ganz disparate Gründe fürs Tragen des Kopftuches kommen; -auch gerade bei Mädchen und jungen Frauen. „Kann in diesem Fall die Integration Abhilfe schaffen und was würde das bedeuten? Dass wir akzeptieren, dass in unserer Gesellschaft Bevölkerungsgruppen ihre Frauen schon als Kinder diskriminieren und sie soweit indoktrinieren, ihr Haupt zu verhüllen und ihre Weiblichkeit zu verstecken?“ schreibt Frau Liedke weiter. Wie kommt sie zum Schluss, dass das Tragen eines Kopftuches per se diskriminierend ist? Unsere westliche Lesart von Weiblichkeit, nämlich den weiblichen Körper zu enthüllen und zu entblössen ist mir genauso suspekt, wie ihn gänzlich zu verhüllen. Und was ist mit der Indokrination durch die Werbung und das Kaufverhalten ihrer Mütter, wenn kleine Mädchen in der Badi mit Bikinis umherlaufen, auch wenn sich oben noch gar nichts erhebt?


Weiter zum Stichwort Integration

Wer soll da in welche Gruppe oder Gesellschaft integriert werden? Ausländische, bildungsferne und religiös-geprägte Musliminnen in den säkularen Teil der Gesellschaft oder vielleicht in fundamentalistisch-christliche Gemeinschaften, welche ihre Mädchen wenn auch kein Kopftuch, so doch durchwegs Röcke tragen lassen? Die Beispiele, so denke ich machen die Komplexität von Integrationsvorgängen deutlich.

Und wie handhaben wir als Gesellschaft die Tatsache, dass es in der muslimischen Gemeinschaft eine nicht vernachlässigbare Anzahl als Mitgliedern gibt, welche zum Islam konvertiert sind und die als waschechte SchweizerInnen wohl bestens integriert sind? Das aktuellste Beispiel ist jenes des in Volketswil ZH geplanten muslimischen Kindergartens. Dessen Initiantin ist eine Konvertitin. Vor ein paar Tagen wurde das Gesuch für eine Betriebsbewilligung vom Volksschulamt des Kantons Zürich abgelehnt auch deshalb, weil eine Nähe zum als konservativ bis radikal geltenden „Islamischen Zentralrats“ vermutet wurde.


„Eigentlich geht es bei der Kopftuchdebatte immer um das Tolerieren oder das Verbot.“

Dies bezweifle ich. Es geht wenn schon denn schon um weibliche Freiheit. Und diese zu definieren steht uns Vertreterinnen einer zugegebenermassen heterogenen Mehrheitsgesellschaft nicht zu. Seien wir berockt, behost, mit einem Kreuz um den Hals, mit langen oder kurzen Haaren oder einfach ganz stinknormal.

 

Weitere Informationen zum Thema unter:

 

http://archiv.ostschweizerinnen.ch/archiv-2008-2014/kopftuchfischer_092013.php?navanchor=2110008

 



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