Kopftücher mit Rosenmuster aus Glarus

Bild
Auswahl an Kopftüchern mit Rosenmustern aus dem Glarner Wirtschaftsarchiv. (Glarner Wirtschaftsarchiv)
Bild
Sybill Kindlimann, wissenschaftliche Leiterin des Glarner Wirtschaftsarchiv. (swissinfo.ch)

"Über Kopftücher wird heute vor allem in Zusammenhang mit islamischen Einwandererinnen diskutiert", sagt Sybill Kindlimann.

Doch auch im christlichen Europa hatten Kopftücher eine Tradition, hält die Historikerin fest. "Noch vor 40 Jahren gingen die Frauen vielerorts ausschliesslich im Kopftuch zur Kirche."

Die Ausstellung in Schwanden
Glarner Kopftücher für Südosteuropa "in lebhaftem Rot und sattem Grün" dauert noch bis am 30. April 2011.

Sie ist jeweils am letzten Samstag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Kopftücher waren im 19. Jahrhundert der Exportschlager aus dem Glarnerland. Das Glarner Wirtschaftsarchiv arbeitet diesen Teil der Industriegeschichte auf und hat dazu eine aufschlussreiche Ausstellung gemacht.

 

Eveline Kobler

22:11:2009

 

"Das Hauptmotiv auf den Kopftüchern waren Rosen", erzählt Sybill Kindlimann, Historikerin und wissenschaftliche Leiterin des Glarner Wirtschaftsarchivs (GWA) in Schwanden.

Die Ausstellung "Glarner Kopftücher für Südosteuropa 'in lebhaftem Rot und sattem Grün' " zeigt, wie gross die Bandbreite an Rosen-Variationen ist; neben aller Art Müsterchen mit Rosen sind auch Tücher mit Rosen und arabischen Kalligrafien in den Musterbüchern zu sehen.


 

Kopftuchfarbe - variiert nach Alter der Trägerin

Die Farbe, Qualität und die Art und Weise, wie das Kopftuch geknüpft wird, zeigt das Alter und den Status der Trägerin an und bezieht sich auf die Situation, in der das Kopftuch getragen wird. Die Grundfarbe des Kopftuches ist eine Aussage über das Alter der Frau.

Zwischen den weissen und gelben Kopftüchern, die von Frauen getragen wurden, die im Dorf als "jung" betrachtet werden, bis zum unischwarzen Modell, das ganz alte Frauen kennzeichnet, liegen diverse Stufen und Farben.


 

Glarner lebten vom Export

Die Ausstellung im Glarner Wirtschaftsarchiverzählt die Geschichte des "Glarner Wirtschaftswunders", wie der Historiker Walter Bodmer in einer Festgabe des Historischen Vereins des Kantons Glarus 1952 die wirtschaftliche Entwicklung im Kanton Glarus nannte.

"Diese Entwicklung ist nicht mit jener anderer Täler vergleichbar", sagt Kindlimann, "die Landwirtschaft warf nur kärglichen Gewinn ab, in Glarus brauchte man andere Einkommensquellen."

Anhand der Geschäftsunterlagen zweier führender Firmen wird aufgezeigt, wie weitreichend und intensiv die Geschäftsbeziehungen waren. Zwei Firmen aus demselben kleinen Tal konkurrenzierten sich im 19. Jahrhundert auf dem Weltmarkt.


 

 

Kleines Tal - grosse Konkurrenz

Auch die Farbmuster der zwei Firmen sind in der Ausstellung zu sehen, mit kaum erkennbaren farblichen Nuancen. "Was das Leuchten des Rots betrifft, haben die zwei Firmen ständig versucht, einander auszustechen", erzählt Kindlimann.

Sybill Kindlimann selbst stammt aus einer der Textil-Fabrikanten-Familie, der Familie Blumer. In deren ehemaligen Räumlichkeiten in Schwanden ist heute auch das Glarner Wirtschaftsarchiv mit der Ausstellung untergebracht.

Erkennbar ist die Anlage an dem so genannten "Hänggi-Turm", einem Gebäude, in dem die frisch bedruckten Stoffbahnen zum Trocknen aufgehängt wurden.


 

Nach dem Solddienst kam der Kopftücher-Export

"Noch im 18. Jahrhundert lebten die Menschen im Glarnerland von der Söldnerschaft", sagt Kindlimann. "Doch dieses Geschäft ging zurück. Die Familie Blumer hatte seit 1740 ein Geschäft für den Verkauf von Agrarprodukten und Textilien aus Heimarbeit nach Italien."

1788 habe ein Mitglied der Familie in Ancona an der italienischen Adriaküste eine Firma gegründet. "Da die Nachfrage ständig stieg, wurde 1828 die Textildruckerei Blumer gegründet. Damit begann der Aufstieg des Textilgeschäfts im Kanton Glarus", sagt sie.

Die erste Textildruckerei war laut dem historischen Lexikon der Schweiz bereits 1740 in Glarus auf der Insel von Johann Heinrich Streiff gegründet worden. Die Nachfrage nach bezahlbaren bedruckten Stoffen nahm ständig zu.


 

Märkte: Türkei, Libanon, Persien, Afghanistan

Gedruckt wurde von Hand mit Modeln, die anfänglich ganz aus Holz bestanden, später aus Holz mit Metallteilen, zunächst Palmenschals mit Fransen, krapprote und indigoblaue Artikel, Yassmas (so genannte Türkenkappen) und Tücher aus Kaschmir für den Absatz in der Türkei, im Libanon, in Persien und Afghanistan.

Für den Absatz in den Balkan, um den sich die Ausstellung in Schwanden hauptsächlich dreht, wurden spezielle Muster entworfen, "Rosen in allen Variationen", wie Kindlimann sagt und wie die riesigen Zeigebücher belegen.


 

Ausfuhr ins bewegte Südosteuropa des 19. Jahrhunderts

Im 19. Jahrhundert herrschte für die Textildruckerei aus dem Glarnerland Hochblüte. Dieses Jahrhundert war in Südosteuropa eine bewegte Zeit, geprägt durch Befreiungskriege, Loslösung aus osmanischer oder österreichischer Herrschaft, den Aufbau nationaler Unabhängigkeiten, wie in der Ausstellung dokumentiert wird.

In dieses Spannungsfeld exportierten die Glarner Textildruckereien ihre Ware. Insgesamt gab es damals im Glarnerland 23 Textildruckreien, die rund 6100 Arbeitsplätze generierten. Dazu kamen zehn Spinnereien und drei Weberein mit zusammen 100 Beschäftigten. Die Gesamtbevölkerung des Bergtals umfasste damals 22'000 Menschen.
Erhalten und ausgestellt sind Originale der Kopftücher, Holzmodel, Druckwalzen, handschriftliche Kopierbücher, und rund 40'000 Briefe und Geschäftskorrespondenz.


Quelle: Radio SRI/ swissinfo.ch.


zurück            Diesen Artikel versenden            Mein Kommentar zu diesem Artikel
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch