Per Zufall bin ich auf den Text von Frau Gisler gestossen, worin sie sich auf meinen Text zur
Kopftuchfrage bezieht. http://archiv.ostschweizerinnen.ch/archiv-2008-2014/kopftuch2.php?navanchor=2110008
Ich bin ein bisschen erstaunt über ihre Auslegungen,
zumal ich das Gefühl nicht loswerde, dass wir im Grunde genommen dasselbe
meinen.
Dialog statt Debatte
Trotzdem möchte ich mich zu einigen Punkten äussern,
berichtigen, zur besseren Verständigung beitragen, denn es scheint mir
ausserordentlich wichtig, dass wir uns nicht immer auf dem Parkett der Debatte
bewegen, sondern in einen wirklichen Dialog einsteigen, wo es nicht unbedingt
darum geht, wer seine Argumente am eindringlichsten vorträgt und dadurch
allenfalls einen Sieg davon trägt, sondern dass man sich auch in einem Konsens
finden kann.
Humor
Zuallererst möchte ich
festhalten, dass zu meiner Art zu kommunizieren und zu schreiben auch oft ein
Schuss Humor gehört. Mein Gedanke, der mir zum Hiphop-Käppi meiner Tochter durch
den Kopf schoss „wenigstens kein Kopftuch!“, darf somit durchaus mit einem
Lachen beantwortet werden.
Hingegen ist es nicht zu
leugnen, dass das Tragen eines Kopftuches in den Zusammenhängen, mit denen wir
uns beschäftigen, einen religiösen und im weiteren Sinne auch einen
geschichtlichen, Frauen diskriminierenden, Hintergrund hat, der in keiner Weise
und mit keiner Argumentation wegzuwischen ist. Das Kopftuchtragen per se
interessiert mich nur in diesem Zusammenhang.
Freiheit und Selbstbestimmung
Ansonsten unterliegt es der freien
Entscheidung jedes Individuums seinen Kopf mit einem Tuch zu bedecken, aus
welchen anderen Gründen auch immer. Selbst die religiöse Motivation lasse ich
gelten, wenn sie auf totaler Freiheit beruht. Dies tut sie aber in diesem
vieldiskutierten Kontext nicht. Wenn Mädchen in unserer Gesellschaft Kopftücher
tragen hat das mit ihrer Rolle in ihrem direkten familiären und kulturellen
Umfeld zu tun. Ich bin überzeugt, dass sie sich lieber ihren Schulkameradinnen
in unserem westlichen Kulturraum anpassen würden, weil das Jugendliche nun mal
tun, dazu aber keine Wahlmöglichkeiten haben. Im besten Falle weil sie sich
ihren Eltern und deren Kultur verpflichtet fühlen, im schlechtesten, weil Strafe
die Folge wäre. Alles andere ist Wortklauberei und Schönfärberei, die uns nicht
weiter bringt. Wenn Julia Onken ein Gedicht von Droste Hülshoff zitiert, so ist
dieses „Wehen der Haare im Wind“ als Metapher für die Freiheit gemeint und es
kann durchaus auch kurzhaarige Mädchen erfreuen sich den Wind um die Ohren
pfeifen zu lassen und den Duft der Freiheit zu schnuppern.
Dass wir alle und auch
unsere Mädchen zahlreichen Doktrinen der Werbung und unserer Konsumgesellschaft
ausgesetzt sind und auch diese immer wieder einer Ueberprüfung bedürfen, steht
auf einem anderen Blatt und ist sicher ein interessantes Thema, aber für mich
kein Argument für das Kopftuch.
Mit grosser Achtung
betrachte ich die Arbeit von Frau Gisler und glaube zu verstehen, dass sie sich
sehr für Integration einsetzt und zwar in dem Sinne, in dem auch ich sie
verstanden haben möchte, nämlich nicht als Gleichmacherei, sondern als Akzeptanz
der Individualität jedes Menschen. Insofern sollte es uns Frauen ein Anliegen
sein für unsere Schwestern die Möglichkeit zu erwirken, diese Akzeptanz auch für
sich und ihre Töchter in Anspruch nehmen zu dürfen. Wie ich mir solches
vorstelle, habe ich schon erläutert.