Kopftuchfrage im Dialog

06:06:2014

Bild
Ingrid Eva Liedtke, Schönenberg ZH
Bild
Esther Gisler Fischer, Dietlikon ZH

Ingrid Eva Liedtke: 

"Ich schreibe leidenschaftlich gerne, über Themen, die uns Frauen betreffen, aber auch generell darüber, was mich berührt. Kreativität und Wissensdurst sind mein Motor. Ich liebe das Leben in seiner Fülle und würze gerne alles mit einer guten Prise Humor."
www.herzenbluehen.ch

Esther Gisler Fischer ist Religionswissenschafterin und Integrationsfachfrau und wohnt in Dietlikon / ZH. Mehr über und von Esther Gisler Fischer unter www.contextus.ch.


Esther Gisler Fischer und Ingrid Eva Liedtke (beide aus dem Kanton Zürich) sind in den letzten Tagen in den Dialog getreten wegen dem Kopftuch für junge Muslimas. Hier der neueste Beitrag von Ingrid Eva Liedtke aus Schönenberg im Sinne von Verständigung.

 

Ingrid Eva Liedtke, Schönenberg ZH

 

Per Zufall bin ich auf den Text von Frau Gisler gestossen, worin sie sich auf meinen Text zur Kopftuchfrage bezieht. http://archiv.ostschweizerinnen.ch/archiv-2008-2014/kopftuch2.php?navanchor=2110008
Ich bin ein bisschen erstaunt über ihre Auslegungen, zumal ich das Gefühl nicht loswerde, dass wir im Grunde genommen dasselbe meinen.

Dialog statt Debatte


Trotzdem möchte ich mich zu einigen Punkten äussern, berichtigen, zur besseren Verständigung beitragen, denn es scheint mir ausserordentlich wichtig, dass wir uns nicht immer auf dem Parkett der Debatte bewegen, sondern in einen wirklichen Dialog einsteigen, wo es nicht unbedingt darum geht, wer seine Argumente am eindringlichsten vorträgt und dadurch allenfalls einen Sieg davon trägt, sondern dass man sich auch in einem Konsens finden kann.

Humor


Zuallererst möchte ich festhalten, dass zu meiner Art  zu kommunizieren und zu schreiben auch oft ein Schuss Humor gehört. Mein Gedanke, der mir zum Hiphop-Käppi meiner Tochter durch den Kopf schoss „wenigstens kein Kopftuch!“, darf somit durchaus mit einem Lachen beantwortet werden. Hingegen ist es nicht zu leugnen, dass das Tragen eines Kopftuches in den Zusammenhängen, mit denen wir uns beschäftigen, einen religiösen und im weiteren Sinne auch einen geschichtlichen, Frauen diskriminierenden, Hintergrund hat, der in keiner Weise und mit keiner Argumentation wegzuwischen ist. Das Kopftuchtragen per se interessiert mich nur in diesem Zusammenhang.

Freiheit und Selbstbestimmung


Ansonsten unterliegt es der freien Entscheidung jedes Individuums seinen Kopf mit einem Tuch zu bedecken, aus welchen anderen Gründen auch immer. Selbst die religiöse Motivation lasse ich gelten, wenn sie auf totaler Freiheit beruht. Dies tut sie aber in diesem vieldiskutierten Kontext nicht. Wenn Mädchen in unserer Gesellschaft Kopftücher tragen hat das mit ihrer Rolle in ihrem direkten familiären und kulturellen Umfeld zu tun. Ich bin überzeugt, dass sie sich lieber ihren Schulkameradinnen in unserem westlichen Kulturraum anpassen würden, weil das Jugendliche nun mal tun, dazu aber keine Wahlmöglichkeiten haben. Im besten Falle weil sie sich ihren Eltern und deren Kultur verpflichtet fühlen, im schlechtesten, weil Strafe die Folge wäre. Alles andere ist Wortklauberei und Schönfärberei, die uns nicht weiter bringt. Wenn Julia Onken ein Gedicht von Droste Hülshoff zitiert, so ist dieses „Wehen der Haare im Wind“ als Metapher für die Freiheit gemeint und es kann durchaus auch kurzhaarige Mädchen erfreuen sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen und den Duft der Freiheit zu schnuppern. Dass wir alle und auch unsere Mädchen zahlreichen Doktrinen der Werbung und unserer Konsumgesellschaft ausgesetzt sind und auch diese immer wieder einer Ueberprüfung bedürfen, steht auf einem anderen Blatt und ist sicher ein interessantes Thema, aber für mich kein Argument für das Kopftuch.

Mit grosser Achtung betrachte ich die Arbeit von Frau Gisler und glaube zu verstehen, dass sie sich sehr für Integration einsetzt und zwar in dem Sinne, in dem auch ich sie verstanden haben möchte, nämlich nicht als Gleichmacherei, sondern als Akzeptanz der Individualität jedes Menschen. Insofern sollte es uns Frauen ein Anliegen sein für unsere Schwestern die Möglichkeit zu erwirken, diese Akzeptanz auch für sich und ihre Töchter in Anspruch nehmen zu dürfen. Wie ich mir solches vorstelle, habe ich schon erläutert.  


zurück            Diesen Artikel versenden
Verein ostschweizerinnen.ch · c/o Nelly Grubenmann · Tellen | Postfach 30· 9030 Abtwil · kontakt@ostschweizerinnen.ch