Kampf für die sexuell befreite Lust der Frau - ein Lese- und Lebenstipp

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Mit schonungsloser Offenheit erzählt Benoít Groult über sexuelle Lust - auch mit 90 Jahren.
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Der Bestseller Groults "Salz auf unserer Haut" wurde über 2,5 Millionen Mal alleine in Deutschland verkauft.

Meine Befreiung
Benoîte Groult
Übersetzt von Barbara Scriba-Sethe, Irène Kuhn
Bloomsbury Berlin
August 2009 - gebunden - 271 Seiten
ISBN: 3827008719 EAN: 9783827008718.

Sie ist Feministin und sie wirbt auch mit neunzig noch für Lebens- und Sinnesfreuden. Ihr erotisches Bekenntnis „Salz auf unserer Haut“ hat die Autorin weltberühmt gemacht. Und mehr als das: Benoîte Groult hat damit Tabus entzaubert und sexuelle Geheimnisse entschlüsselt.

 

Cornelia Forrer

07:11:2012

 

Schonungslos offen geschrieben, kam die lange erwartete Autobiografie der Französin Benoîte Groult jetzt unter dem Namen „Meine Befreiung“ auf Deutsch heraus. Die Autorin erzählt darin von den Schwierigkeiten die sie zu überwinden hatte, um vom schüchternen Mädchen zur selbständigen und sinnlichen Frau heranzuwachsen.

Selbstkritisch lustvoll
Als Mädchen aus der Pariser Oberschicht mit starren Augen, Ponyfrisur und offen stehendem Mund, habe sie leicht dümmlich ausgesehen, schont sich die Autorin nicht. Erst ihr Mann habe sie schliesslich zum Schreiben ermutigt und nicht ohne Scheu habe sie sich unter die Schriftstellenden gemischt, die offen von den fleischlichen Gelüsten berichten.


Im Erfolgsroman „Salz auf unserer Haut“ – erschienen 1994 - beschreibt die spätberufene Feministin, die erst nach drei Ehen und ebenso vielen Kindern zur Gleichberechtigung herangereift war, die wilde Sexaffäre mit einem Fischer namens Gauvain. Ihr Kampf ähnle weder demjenigen der Simone de Beauvoir noch dem von Rosa Luxemburg.


Sexuelle Freiheit ist jedoch das Thema der Benoîte Groult. Davon begann sie im stolzen Alter von 68 Jahren zu erzählen. Hinter der Person des im Roman beschriebenen Fischers steckt in Wirklichkeit ein amerikanischer Pilot, den sie im befreiten Paris kennenlernte und immer wieder traf – trotz Ehe, Kindern und Enkelkindern.


Beeindruckend sinnlich
Was die Tochter einer Modedesignerin in ihrem Bestseller beschrieb, ist beeindruckend, schonungslos offen und kühn und verdient grösste Anerkennung. Selbst intimste Themen wie die schmerzende Vagina werden von Groult darin angesprochen.
„Während ich eine lindernde Creme auf die betroffene Zone auftrage, wundere ich mich, dass die Autoren von Erotika diesen Unfall der Wolllust stets unerwähnt lassen“. So beschreibt Groult unter anderem.


Die Scheiden der Heldinnen würden meist als unverwüstliche Rohrleitungen dargestellt, die das Eindringen von Fremdkörpern endlos ertrügen. Ihre aber sei vollends wund - unfähig gar, auch nur ein Suppennüdelchen in sich aufzunehmen.


Schonungslos ehrlich
Es sei wohl das Alter, das ihr den Mut gegeben habe, so zu schreiben, sucht Groult auch selbst ihre Erklärungen. Diese Freiheit und Unverfrorenheit habe ihr nämlich mit zwanzig, dreissig und noch mit vierzig, ganz einfach gefehlt.

Zum neunzigsten Geburtstag kam nun die Lebensgeschichte der Autorin in die Buchhandlungen. Sie beschreibt mit spitzer Feder, Sarkasmus und Witz, die fortwährende Bewusstwerdung und Suche um Befreiung und das Ausleben der Lust.


Mit der Geschichte geht aber auch die Bewusstwerdung der eigenen Endlichkeit einher, die die Autorin durch den Tod ihres geliebten Mannes Paul erfahren hat. „Keine Emanzipationstheorien, keine Scheinmoral, keine Tabus“, könnte als Titel über der Geschichte stehen.


Erzählerisch stark
So ehrlich wie „Meine Befreiung“ ist keines der Werke Groults, auch wenn in „Salz auf der Haut“, in „Tagebuch vierhändig“, das sie mit Schwester Flora schrieb, in „Die Dinge wie sie sind“ oder in „Leben heisst frei sein“ ebenso viele eigene Erfahrungen und autobiografische Erlebnisse erzählt werden.


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