Eine kleine Balkanmusik

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Die Querflöte und Ksenjia sind ein starkes Team.
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Musik ist eine internationale Sprache - sie wird überall verstanden und geliebt.

Fördern Sie Talent mit ihrem Wissen und Informationen! Kennen Sie ein Orchester oder eine Gruppe Musiker, die eine Flötistin benötigen? Oder haben Sie Interesse an einem breiten musikalischen Repertoire an einem Anlass? Ihre Anfragen und Tipps können Sie direkt mailen an
ksenijaflute@hotmail.com.

 

Ksenija Radosavljevic ist 29 Jahre alt, hat nach ihrem Masterstudium in Bern ein Masterstudium der Musikpädagogik in Luzern begonnen. Sie tritt als Musikerin in der gesamten Schweiz auf und lebt gut integriert in Bern.

Integration ist etwas, das sich nicht an Anweisungen hält, es ist ein langer Lernprozess, der sich nicht über ein spezielles Erfolgsrezept erreichen lässt. Viele hochqualifizierte, begabte Menschen verrichten in der Schweiz ein Leben im Hintergrund und das Land verliert dadurch viel ungenutztes Potenzial und Talent, das genutzt werden könnte.

 

Nina Nuhodzic

17:03:2010

 

Das Profil der heutigen Migranten in der Schweiz sieht in der Tat anders aus als zu Grossmutters Zeiten. Als damals die Gastarbeiter im Wirtschafts-und Bauboom ihre Länder verliessen, waren diese zumeist Männer, wenig oder gar nicht gebildet und das Thema Integration war nicht aktuell-man(n) wollte schliesslich schnell genug Geld verdienen und dann in der Heimat die Frucht der Arbeit im Westen geniessen.

Der Familiennachzug erwies sich als schwierig, viele kulturelle Probleme entstanden, als man merkte: „Die Jahre sind vergangen und wir sind geblieben“. Die Identitätslosigkeit dieser Familien prägte auch das Ausländerbild vieler Schweizer und tut dies auch heute noch.

 

Dennoch hat sich der Trend zum Teil zum Guten gewendet - immer mehr Frauen mit Hochschulabschluss verlassen mit ihrem Fachwissen ihre Heimatländer, weil der Arbeitsmarkt in Ost-und Südosteuropa für Frauen viel brutaler umkämpft wird als irgendwo sonst. Um der Chancenlosigkeit der Heimat zu entkommen, um einem Verfall der eigenen Würde zu entfliehen, kommen diese Frauen mit vielen Hoffnungen in die Schweiz.

 

So oder so ähnlich fängt die Geschichte von Ksenija an: Wir trafen uns während den ersten Tagen in der Fremde, die uns mittlerweile so bekannt geworden ist. Das wir aus zwei verfeindeten Kriegsländern stammten, spielte in der Einsamkeit des Seins im Studentenwohnheim keine Rolle. Wieder ein Beweis dafür, dass die Schweiz als neutrales Feld auch als Friedensvermittler dienen kann und sollte.

 

„Ich wäre eigentlich gar nicht Musikerin geworden, aber zum Glück hatte meine Tante rechtzeitig bemerkt, dass ich ein sehr gutes Gehör hatte. Sie war auch diejenige, die die Eltern überzeugte, mich musikalisch zu fördern. Als typisches Kind vom Balkan war zuerst vorgesehen, dass ich Akkordeon spiele. Bei der Einschreibung an der Musikschule „war ich mit neun Jahren schon zu alt“. Somit wurde mir die Flöte zugeteilt, die ich noch heute als einen Teil meines Wesens betrachte.“

 

Die Jahre mit dem Instrument vergingen wie im Film, die Querflöte und Ksenija sahen viele Wettbewerbe zusammen, die Auszeichnungen im ganzen Land reihten sich. Nach einem Studium in Belgrad arbeitete sie als Musiklehrerin und verspürte den alten Wunsch, in ein Land zu ziehen, in dem Musik auch geschätzt wird. Als Tochter einer ehrlichen, anständigen Arbeiterfamilie scheiterten diese Träume am Geldmangel, bis sie sich 2004 den Traum vom „gelobten Land für Musiker“ erfüllen konnte.

 

In Bern folgte dann die wahrscheinlich schwerste Zeit des Lebens, ohne Kontakte und Beziehungen waren jede Mühe und das beste Talent wertlos.
Arbeit bekam sie keine, ab und zu scheiterte sie schon beim Vorstellungsgespräch, bei dem es hiess: „Frau Rado…was? Nein, wir nehmen nur EU-BürgerInnen. “Stipendien gab es keine, dazu war ich mit Mitte zwanzig schon wieder zu alt.“ Für die aufmerksame Leserin stellt sich spätestens jetzt die Frage, ob das im 21. Jahrhundert noch normal ist, bereits in diesem Alter als Oldtimer ausgemustert zu werden?

 

Die Energie dieser jungen Frau ist unglaublich, ja fast ansteckend. Trotz vielen Niederlagen und tränenreichen Phasen in der Fremde war sie immer ehrlich und hat sich wie ein Chamäleon integriert.

Das gute Gehör ist ihr eine gute Hilfe gewesen beim Deutschlernen, nach knapp 5 Jahren hat sie ganz ohne Hilfe und Kurse Hochdeutsch gelernt und unterrichtet in verschiedenen Kantonen Querflöte.
Neben verschiedenen Auftritten als Solomusikerin in der ganzen Schweiz absolvierte sie ein Praktikum beim Berner Symphonieorchester und meistert im Moment ein Leben mit mehreren Arbeitsstellen, die trotzdem gerade ausreichen für ein bescheidenes Leben mit Freund und Katze.

 

Das Land ist voll von solchen Lebensgeschichten, bei denen wir stumm zusehen, wie Begabung an der Herkunft oder dem Nachnamen gemessen werden. Ksenija zaubert dabei in einer stressigen, manchmal farblosen Welt etwas, das keine Sprache spricht und wir alle auch verstehen - die Musik an sich braucht keine Übersetzer und lässt sich verschieden interpretieren.


Der Staat finanziert solche jungen Frauen nicht mit Stipendien, weil sie mit 29 Jahren als alt gilt oder weil Serbien als Herkunftsland ein Hindernis darstellt. Darum ist es umso wichtiger, sich als Privatperson diesen kleinen Luxus zu gönnen und einen Auftritt der Querflötistin zu erleben. Dort, wo der Staat versagt, helfen die kleinen Wunder…


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