Das Experiment "Super Nanny"

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Das Logo zu einer der fragwürdigen Sendungen von RTL. Quelle: Wikipedia
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Nina Nuhodzic Rolli macht sich Gedanken über die Super Nanny und die Folgen.

Die Sendung wurde 2005 mit dem Preis der beleidigten Zuschauer für die Verletzung der Würde von Kindern durch Vorführen in Extremsituationen ausgezeichnet. Mehr zur Super Nanny erfahren Sie mit diesem Link.

In der Schweiz schlagen momentan die Wellen hoch über "sich ungebührend benehmende Teenager" in diversen Gemeinden, man diskutiert über eine Sperrstunde, setzt überall Kameras in die Ecken und verbietet immer mehr mit einem drohenden Zeigefinger. Zwar sieht die Situation nicht gerade rosig aus, wenn man die momentanen Statistiken zur Jugendkriminalität betrachtet, trotzdem fängt die Charakterbildung in der guten alten Elternstube an. Ein kurzer Blick ins nördliche Nachbarland bestätigt allerdings schlimmere Szenen als nur die Finanzaffäre.

 

Nina Nuhodzic

21:05:2009

 

Wir alle erinnern uns nur allzu gerne an die nette Erscheinung von Mary Poppins, der Dame, die den Beruf Nanny erst Salon-und Filmfähig machte. Mit Regenschirm, Schnürstiefeln und immer fröhlich um die Kinder bemüht, die auch wirklich folgen. Eine adrette Dame und eine gelungene Mischung aus Erziehung und spielerischer Entwicklung.

Eine altbekannte Reality-Show im deutschen Fernsehen zeigt den sichtbaren Verfall vieler Kinder und Jugendlicher im Nachbarland. Der Sender verkauft die Sendung als "Coaching Fernsehformat" und sieht sich als Retter der geschändeten Kinder der Unterschicht. Als Aushängeschild dient dabei Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank.

 

In der Selbstdarstellung der Sendung heißt es hierzu: "RTL will mit diesem Format einerseits den betroffenen Familien eine Hilfestellung bieten, andererseits aber auch dem Zuschauer anhand von unterschiedlichen Fällen Lösungsansätze für Probleme in der eigenen Familie aufzeigen."

 

Dabei findet man sich als Zuschauer in einer anderen Welt, jedenfalls wenn man einigermassen normal aufwachsen durfte. Die Super Nanny strahlt nicht die Energie einer Frau Poppins aus, obwohl sich die Sendung mit sehr hohen Zuschauerquoten zwischen 2-4 Millionen (!) brüsten darf.

Der Verlauf der Show fängt mit einem, meist mit dramatisch-destruktiver Musik untermalten Vorspann an, in dem quengelnde, aggressive oder vernachlässigte Kinder wie in einer Zirkusmanege in ihrem täglichen Kampf mit überforderten Eltern zur Schau gestellt werden.
Auffallend: viele der Kandidaten für "das perfekte Kind" stammen aus der soziallen Unterschicht, sind betroffen von Sozialhilfe oder Arbeitslosigkeit. Die Super Nanny kennt dabei keine Unterschiede - sie bekehrt den trinkenden Neonazi-Jugendlichen auf ähnliche Art und Weise wie einen hyperaktiven Erstklässler.

 

So sehr sich die Macher auch um ein harmonisches Ende jeder Folge bemühen, kann man als rational denkender Zuschauer nach der ersten Werbepause an seinen Menschenkenntnissen zweifeln. Die Erziehungsmethoden erinnern an eine Hundeschule, in der jedes Kind gleich dressiert werden soll und MUSS.
Wenn die Kamerateams nach Hause fahren, um daheim von den menschlichen Abgründen einer Familie am Küchentisch zu berichten, geht für die betroffenen Familien das Leben weiter - auch ohne die streng dreinblickende Pädagogin mit dem Kühlschrankblick.


Die Eltern brüllen sich weiter bis zum Herzinfarkt, die Teenies und Kleinkinder versumpfen weiterhin im Plattenbau und bekommen eines Tages selber Nachwuchs, bei dem dann die Super-Oma dann vorbeischauen kann - den Quoten zuliebe.

Sicherlich gibt es in jeder Schweizer Familie irgendwo eine verzweifelte Mutter, eine genervte Tochter oder einen pubertierenden Sohn, bei denen am Abend die Super Nanny über den Bildschirm geflimmert ist. Obwohl man sich schämt, es zuzugeben, hat dieses Sendeformat eine neue Form angenommen. Als Zuschauer ist man dabei im Kinderzimmer und fühlt sich ein bisschen als Voyeur des 21. Jahrhunderts.


Ob man als Mutter die Ratschläge der Super Nanny annimmt oder ablehnt, ist freie Wahl. Jedoch sind wir als Gebührenzahler der "Billag" doch sehr froh, dass das Schweizer Fernsehen nicht auf solche Shows zurückgreift, um seine Quoten zu liften. Und wenn der Nachwuchs mal nicht hören sollte, hat meine Bekannte einen guten Tipp: Lassen sie ihre Kinder nur eine Folge sehen, danach heisst es: "Entweder, du bist brav -oder ich hole die Super-Nanny!"


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