40 Jahre Frauenstimmrecht – Einblicke in die Geschichte

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Seit 40 Jahren sind Frauen auch unter der Bundeshauskuppel gleich gestellt.
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Passen wir auf, damit wir unsere Ostschweizer Bundesratsvertreterin auch nach den Wahlen im Herbst noch haben.
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Frauenpower ist überall auch weiterhin gefragt. Schlafen wir nicht ein und ruhen wir uns nicht auf dem Erkämpften aus.

So lautete ein Plakat gegen das Frauenstimmrecht:

 

Im FHD. Und im Luftschutz …

haben die Frauen „ihren Mann“ gestellt.

Jetzt ist’s genug. Die Frauen sind „wie ein Mann“ froh, dass diese böse Zeit vorüber ist.

Sie sehnen sich zurück nach ihren echten Frauenpflichten im Leben. Nichts beweist das besser als die stark zunehmenden Verheiratungs- und Geburtenzahlen.

Frauen, die im FHD oder im Luftschutz gewirkt haben geben zu verstehen, sie hätten damit eigentlich das Stimmrecht „verdient“.

Das ist schade. Als die Schweiz in Gefahr war, glaubten wir Männer, sie täten das aus Liebe zur Heimat und nicht, um hinterher eine Rechnung zu präsentieren.

Die überwiegende Mehrzahl der echten Frauen empfindet das. Sie weiss, wo ihre grösste Glücksmöglichkeit liegt: in der Familie. Wir wollen sie nicht gegen ihren Willen in die Politik zwingen.

Darum an die Urnen!

Frauen-
stimmrecht

NEIN

Kantonales Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht

In vierzig Jahren erfolgte der Sprung von null auf vier. Von den Bundesrätinnen ist hier die Rede. Das hätten sich die Vorkämpferinnen wahrlich nicht zu träumen gewagt. Es ist eine Zeit der Freude, die aber nicht den langen Kampf für die Mitbestimmung der Frauen vergessen lassen soll.

 

Cornelia Forrer

28:03:2011

 

Am 7. Februar 1971 wurde  mit einer eidgenössischen Initiative  das Frauenstimm- und Wahlrecht eingeführt. Formell wurde es aber erst am 16. März 1971 wirksam. Es war wahrlich kein besonderer Grund der Freude und auch keiner, sich nun weit aus dem Fenster zu lehnen, denn die Schweiz war eines der letzten Länder, das der weiblichen Bevölkerung die vollen Rechte als Bürgerinnen zugestand.


Immerhin aber war die Schweiz das erste Land, in dem diese Bürgerinnenrechte alleine durch die männliche Bevölkerung eingeführt wurden.  Bis zur Einführung in sämtlichen Kantonen vergingen aber noch weitere zwanzig Jahre. Am 27. November 1990 gab das Bundesgericht einer Klage von Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung  in diesem Punkt. Kurz zuvor hatten die Appenzell Ausserrhoder  unter dem Motto "Frauen im Recht" ihren Frauen das kantonale  Stimm- und Wahlrecht zugestanden.


Damit führte der Kanton Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton der Schweiz das kantonale Stimmrecht für Frauen ein - und erst noch durch Zwang. Dies geschah, um dies nicht zu vergessen, nach einem männlichen Nein-Mehrheitsentscheid an der Landsgemeinde am 29. April 1990. Der Hauptgrund für diese späte Umsetzung des Stimmrechts in allen Kantonen liegt  übrigens beim politischen System der Schweiz selbst. In den Landsgemeindekantonen lag der Grund  für ein Nein grösstenteils beim kulturellen Erbe, das man(n) erhalten wollte und zu verlieren glaubte. Dass diese Vermutung falsch war, beweisen nun die Innerrhödler jährlich und bieten damit ein schönes Bild.


Um das Stimmrecht auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer. Auf nationaler Ebene war zudem auch das Ständemehr nötig, also die Mehrheit aller zustimmenden Kantone. In vielen Kantonen galt damals aber, dass keiner, der die Wehrpflicht nicht erfüllte, das aktive Bürgerrecht erhalten sollte, womit vielerorts das Schicksal der Frauen schon geschrieben stand.


Schon im Laufe des Jahres 1965 gab es mehrere parlamentarische Motionen zur Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene. Als die Jugendunruhen von 1968 auch die Schweiz erreichten, gingen junge Feministinnen auf Konfrontationskurs und veranstalteten Protestaktionen und Demonstrationen im ganzen Land.


Da ihnen jedoch der Schweizerische Verband für das Frauenstimmrecht zu wenig radikal war und sie diesen als „gemütlich“ betitelten, gründeten sie die Frauenbefreiungsbewegung FBB, eine Vereinigung junger, modern denkender Frauen. Am 1. März 1969 fand der Marsch auf Bern statt, an dem 5000 Männer und Frauen vor dem Bundeshaus demonstrierten.


An vorderster Front schritt die kürzlich verstorbene spätere Zürcher Stadträtin Emilie Lieberherr auf die Barrikaden. Ihre Resolution wurde mit grossem Applaus angenommen. Nun aber folgte ein schwieriges Hin und Her zwischen dem Bundesrat, dem Nationalrat und dem Ständerat, bis eine allgemein anerkannte Abstimmungsvorlage zur Einführung des Frauenstimmrechts erarbeitet war.


Alle Regierunsparteien und die beiden einflussreichsten Berufsverbände, der Gewerkschaftsbund und der Bauernverband, hatten die Ja-Parole dazu beschlossen. Ganze 123 Jahre nach der Bundesverfassung von 1848 gewährten die Schweizer Männer den Frauen nun endlich das aktive und passive Wahl- und Stimmrecht bei politischen Entscheiden.


Ein Grund zur Freude ist es bis heute, wenn auch ein kleiner Nachgeschmack noch immer im Mund nachwirkt, begann doch mit der Annahme des weiblichen Stimm- und Wahlrechts ein weiterer  grosser Kampf, denn Rechte haben, und diese auch gleichberechtigt ausüben zu dürfen, sind immer zwei Paar Schuhe. Jahrzehnte lang sollte der Kampf bis zur Wahl der ersten Bundesrätin dauern. Mit unlauteren Mitteln wurde sie aus ihrem Amt heraus geekelt. Weiteren Bundesvertreterinnen wurden immer wieder Männerwahlen vorgezogen.


Und dennoch: Am 7. Feburar 1971 wurde die Vorlage zur Einführung des Wahl- und Stimmrechts für die Frauen vom männlichen Stimmvolk mit 621‘109 gegen 323‘882 Stimmen, also 65,7 Ja-Stimmen, und von 15 ½ Ständen gegen 6 ½ Stände angenommen. Freuen wir uns darüber, doch schlafen wir nicht ein, ruhen wir uns nicht auf dem Erreichten aus. Der Kampf um die Gleichstellung auf allen Stufen ist immer noch im Gang und wird noch weitere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Noch später als in der Schweiz wurde übrigens am 1. Juli 1984 im Fürstentum Liechtenstein das Stimm-und Wahlrecht für Frauen eingeführt.


Als bei den eidgenössischen Wahlen vom 31. Oktober 1971 erstmals auch Frauen wahlberechtigt und wählbar waren, wurden elf Frauen in den Nationalrat  gewählt, was einem Wahlanteil von 5,5 Prozent entsprach. Als einzige Frau wurde die freisinnige Lise Girardin im Kanton Genf in den Ständerat gewählt. Die in Genf amtende  Girardin war auch die erste Stadtpräsidentin in der Schweiz.


Aus heutiger Sicht ist es fast unglaublich, dass die Schweizer Politik bis vor 40 Jahren ganz ohne Frauen gemacht wurde. Die Inserate und Plakate der Frauenstimmrechtsgegner stimmen heute noch nachdenklich, waren sie doch nicht eben charmant formuliert. Bürgerliche politische Kräfte, die immer mehr Raum einnehmen, wollen auch heute die Frauen wieder zurück an den Herd schicken. Tragen wir unseren Bürgerinnenrechten und -pflichten Sorge. Bleiben wir am Ball. Kämpfen wir weiter.



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