Das Eigene und das Fremde als Leitmotiv

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Bunt, emotional, hintergründig - der Schrein der Adolf-Dietrich-Preisträgerin 2009.
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Detailausschnitt einer Arbeit von Olga Titus.

Mehr über die Ausstellung bei:
www.kunstraum-kreuzlingen.ch

Textquelle ist:
www.thurgauer
zeitung.ch
.

Olga Titus kreatives Prinzip ist, Bildwelten zu überlagern. Dafür erhielt die Installationskünstlerin im Kunstraum Kreuzlingen den Adolf-Dietrich-Preis. Hier der Beitrag von Dorothee Kaufmann über die Preisträgerin.

 

Dorothee Kaufmann

12:09:2009

 

Alle zwei Jahre vergibt die Thurgauische Kunstgesellschaft den Adolf-Dietrich-Förderpreis an begabte junge Kunstschaffende. Er ist mit 15 000 Franken dotiert und schliesst eine Ausstellung im Kunstraum ein. Heute ist Doppelvernissage: Die Preisträgerin Olga Titus zeigt ihre Installationen in den Erdgeschossräumen, im Tiefparterre sind mediale Arbeiten Felix Stephan Hubers zu sehen.

Olga Titus (1977) ist im Thurgau, in der Schweiz und Malaysia aufgewachsen und durch so verschiedene Kulturen wie die schweizerische und die indische geprägt worden. Was Wunder, sind das Eigene und das Fremde ein Leitmotiv ihrer Arbeit. Dass sich dabei plötzlich volkstümliche Stereotype einer Werteglobalisierung zeigen, ist verblüffend: Das Thema Konsum etwa nimmt Olga Titus mit schwarzem Humor auf die Schippe in der Arbeit «Your funeral now», frei übersetzt: «Stirb heute, zahle morgen.»
 
 

Mit schwarzem Humor

Ausgangspunkt hier waren, wie so oft bei Titus, Objektcollagen. Malaysische Bestattungsbeigaben wie ein einfaches Teegedeck, Kosmetika, Rasierzeug (man kann ja nie wissen) stellte sie zu einem ganz neuen Warensegment zusammen. Als hätte sie eine Marktlücke entdeckt, bewirbt sie das Ganze in dem dazugehörigen Video. Sie selbst schlüpft in die Rolle des Toten und spielt, entsprechend geschminkt, alle Eventualitäten durch. Die verschiedenen Destinationen zeigen sich als Pulldown-Menü: Himmel, Nirvana, Hölle oder gar Wiedergeburt.
 
Für jede Notlage bietet Olga Titus mit schwarzem Humor das passende Produkt sofort zum Kauf an. Das Video schafft satirische Distanz durch Übertreibung. Wie zu Chaplins Zeiten ruckelt das Bild, und die Bewegungen sind teilweise zu schnell für einen realistischen Blick. Titus versteht es, mit Überblendungen Visionen zu schaffen und Klischees offensichtlich werden zu lassen. Sie bedient sich in bemerkenswerter Freiheit aller Zeichensprachen (Internet, Werbung, Jugendkultur) und wendet sie auch ungeniert auf Tabuthemen an wie den Tod. So erreicht sie einen distanzierten Blick auf alle Ingredienzien ihrer Kunst: Wie verhalten sich Vermarktungsmechanismen angesichts kultureller Tabuthemen? Die Botschaft liegt auf der Hand.
 
 

Volkslied und Bollywood-Song

Wie Erinnerungsinseln hat die Künstlerin multimediale Installationen im Kunstraum arrangiert: Bunte Objekte aus Karton, Zeichnungen, Stickerei und Fotos nutzt sie, um auf diese in unkonventioneller Weise ihre Videoarbeiten zu projizieren, wodurch erneut eine Doppelung vollzogen wird, die zu einer dritten Sinnschicht führt. Den «Rodeofilm» projiziert sie auf ein Kuhfell, das Video «Our House» zeigt sie auf der Rückseite eines Puppenhauses, den Steinzeitstreifen «Ugga» auf der Rückseite eines Röhrenbildschirms. Im Zentrum steht die «Atelierrakete», so der Arbeitstitel, von deren Cockpit man den Blick auf die verschiedenen Arbeiten wie in einem Schaltzentrum hat. Der ordnende Blick auf das Werk der noch jungen Künstlerin könnte derzeit in der Konvergenz volkstümlicher Ausdrucksformen zwischen Klischee und Globalisierung liegen. Dies wird in ihrer Arbeit «Han äs Herzeli wie äs Vögeli» deutlich, in der ein Schweizer DJ einen Hindi-Bollywood-Song produziert, während eine Inderin (Titus selbst) das Schweizer Volkslied in Hindi singt und entsprechend posiert. Zwei Kulturen scheinen ihre Entsprechungen in der Bollywood-Welt zu finden.


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