Europa - die müde, unfruchtbare, nicht mehr lebendige Grossmutter

28:11:2014

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Martha Beéry-Artho
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Martha Beéry-Artho ist Präsidentin der IG Frau und Museum. Die Interessen-gemeinschaft schafft eine Plattform, um die oft nicht gezeigte Geschichte, Realität, die Leistungen und die Einflussnahme der Frauen in der Gesellschaft sowie das Verhältnis der Geschlechter zueinander aufzuzeigen. Sie will dadurch sowohl Ausstellungsmacher/Innen und Vermittler/Innen als auch Museumsbesucher/Innen für frauen- und geschlechterspezifische Themen und Sichtweisen sensibilisieren.

Es ist der 25. November 2014 und ich bin irritiert, sitze wie vor den Kopf geschlagen vor dem Fernseher und verstehe Europa nicht mehr. Ich höre diesen Papst Franziskus, auf dem so viele Hoffnungen des Verständnisses und der Wertschätzung der mitmenschlichen Care Arbeit ruhten, sagen: „Von mehreren Seiten aus gewinnt man den Gesamteindruck der Müdigkeit, der Alterung, die Impression eines Europas, das Großmutter und nicht mehr fruchtbar und lebendig ist“ - Zitat Ende. Und dann folgen Ermahnungen, die ich nicht mehr höre, denn mich trifft dieses „nicht mehr fruchtbar und lebendig“ im Zusammenhang mit Grossmüttern mitten ins Herz.

 

Martha Beéry-Artho

 

Haben nicht Mütter und Grossmütter während und nach den beiden Weltkriegen in ganz Europa die Gesellschaften in den betroffenen Ländern durchgebracht und wieder mitaufgebaut? Mein Mann wäre ohne seine Grossmutter wohl kaum zu einem verantwortungsvollen Mann herangewachsen. Niemand wird sagen dürfen, dass damals Europa jung, dynamisch und christlich war. Die uns vererbten Tatsachenbilder sprechen eine Sprache von Verwüstung durch zwei Weltkriege, verursacht von alten und jungen, dynamischen, kriegerischen, und notabene christlichen Männern.

Frauen in der Katholische Kirche


War es nicht vor allem die kath. Kirche, die jahrhundertelang die Mitsprache von Frauen in den Gemeinden unter dem Motto verhindert hat „die Frau schweige in der Gemeinde“. Wollte und will nicht die Kirche die Fruchtbarkeit der Familien bestimmen? In all den Jahren, in denen ich in der sozialen Arbeit der Kirche bei Caritas tätig war, haben freiwillig und ehrenamtlich Tätige, zum grossen Teil Frauen (Mütter und Grossmütter) den grössten Teil der Arbeit erbracht. Dies in der Integration von Flüchtlingen, dem Einstehen für die Rechte von Asylbewerbern, dem sich Engagieren für die Begleitung Kranker und Sterbender, der Friedensarbeit und vieles weiteres mehr!

Plädoyer für Frauen, Mütter und Grossmütter


Frauen, Mütter und vor allem Grossmütter sind und waren es, die die christlichen Werte der unentgeltlichen Fürsorge, heute „Care“-Arbeit genannt, lebten und immer noch leben, dies weit davon entfernt „unfruchtbar und nicht mehr lebendig“ zu sein. Dabei ist es wohl nicht von der Hand zu weisen, dass wenn Fruchtbarkeit in der Rede des Papstes als körperlich nicht mehr fruchtbar sein, interpretiert wird, sich die Kirche sehr wohl überlegen müsste wie fruchtbar sie eigentlich ist, die „Grossmutter Kirche“. Es ist problematisch, traurig, beschämend und sehr deprimierend, dass ein Papst dieses Bild von alten mütterlichen Frauen vor dem europäischen Parlament herauf beschwört hat. Es entbehrt jeder realen Grundlage, stellt Frauen und Grossmütter in einen Zusammenhang, der sie diskriminiert, entwertet und nicht zutrifft.


Die Weltpresse reagierte eher „amüsiert“ auf die Aussage.


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