Bronisława Wajs: Ein kleines Zigeunermädchen setzt sich durch

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Papuscha setzte sich durch und lernte Lesen und Schreiben.
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Sie dokumentierte Leben und Bräuche der polnischen Roma. Bild: Uni Graz.

Bronisława Wajs wurde geboren am 17. Januar 1908 oder 1909 oder am 30. Mai 1910. Sie ist verstorben am 8. Februar 1987 in Inowroclaw.

 

Quelle des Textes ist www.fembio.org.  

Mit »Papuscha« (Puppe) unterschrieb Bronislawa Wajs ihre Verse. Sie war die erste Dichterin des Romavolkes in Polen, die ihre Gedichte niederschrieb und deren Name bekannt wurde.

 

Karin Wolff

31:10:2012

 

Papuscha stammte von den polnischen Roma ab. In einem Waldlager zur Welt gekommen, auf Wanderungen großgeworden, bekam sie eine Erziehung wie jedes andere Roma-Kind auch.

Doch sie wünschte sich – für ein Zigeunerkind äußerst ungewöhnlich –, Lesen und Schreiben zu lernen. Derartige Kenntnisse waren damals in ihrem Volk eine Ausnahme. Doch Papuscha setzte sich durch. Ihre LehrmeisterInnen – Schulkinder und eine jüdische Ladenbesitzerin – bezahlte sie mit gestohlenen Hühnern.

 

Sie wollte mehr werden als bloß eine Wahrsagerin. Bereits in jungen Jahren verheiratet, kinderlos, an die Härte des Wanderlebens gewöhnt, sang sie über ihr Leid und ihre Freuden, die zugleich die ihres Volkes waren. Ihre Dichtung wurzelt in der volkstümlichen, anonymen, bis zu ihrer Zeit ausschließlich gesungenen Poesie der Roma.

Papuscha dokumentiert das Leben und die Bräuche der polnischen Roma, ihre Weisheiten und Sehnsüchte, und sie gibt in der schweren Zeit der Verfolgung durch die Nazis ihrem Schmerz dichterischen Ausdruck. Ihr Volk dankt es ihr mit Misstrauen und Abneigung.

In den Augen der Ihren ist sie eine Verräterin, die sich mit den Fremden eingelassen hat. Papuscha bezahlt ihre Sehnsucht nach Wissen und Bildung mit Entfremdung.

 

Auf dieses Ausgestoßensein reagiert die Dichterin, verletzt und gekränkt, mit 17jährigem Schweigen. Erst Ende der 60er Jahre kehrt sie aus der inneren Emigration wieder zurück und schenkt der Welt ihre letzten und wohl schönsten Gedichte. Sie gelten nicht mehr den Menschen, sondern der Natur, den Wäldern und Flüssen, die der Dichterin in ihrer Vereinsamung Halt geben. Bald darauf verstummt Papuscha für immer.

 

Ihr dichterischer Nachlass sind ca. 30 Lieder, verfasst im Dialekt der polnischen Roma. Durch ihre Ehe mit dem Harfenspieler Dionizy Wajs kam Papuscha in Kontakt mit einer Gruppe, deren musikalische Traditionen ihr Interesse am Lied stark prägten. Leider sind die Melodien mit der Dichterin dahingegangen, doch ihre Worte bleiben uns für immer erhalten.


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