Wohlbefinden des Pferdes im Visier

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Es war Liebe auf den ersten Blick: Ruth Zindel startet mit ihrer Irländer Stute Nutbush City B an Spring- und Concours Complet-Turnieren. Bilder: Helen Baur-Rigendinger.
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Befreit Tiere von Schmerz, Stress und Unwohlsein: Pferdephysiotherapeutin Ruth Zindel aus Bad Ragaz.

Pferde haben Ruth Zindel schon als Kleinkind begeistert: „Bevor ich laufen konnte, sass ich auf einem Pony.“

Sie sass auf einem Pferd, bevor sie laufen und sprechen konnte. An Gespür und Feingefühl fehlte es ihr nie, wohl aber an Hintergrundwissen, wenn ein Tier zickig reagierte oder einen Sprung verweigerte. Grund für Ruth Zindel, sich zur Pferde-Physiotherapeutin ausbilden zu lassen.

 

Helen Baur-Rigendinger

17:10:2013

 

 Bad Ragaz. Ein Sommermorgen. Ruth Zindel (33) hat soeben den Pferdestall beim Malanggahof in Bad Ragaz besorgt. „Eine Tätigkeit, die vermehrt auch mein Vater übernimmt, wenn ich wochentags in der Spitalapotheke in Grabs arbeite“, zeigt sich die Pharmaassistentin dankbar.

In ihrer Freizeit dreht sich fast alles um Pferde. An erster Stelle stehen Nutbush City B, eine Irländer Stute, mit der sie an Spring- und Concours Complet-Turnieren antritt sowie deren Stallgefährtin Caipirinha, ein aufgewecktes Shetlandpony. Nicht zu vergessen Diamonds Aedan. Das zweijährige, selbstgezüchtete Fohlen weilt derzeit auf einer Weide im Allgäu.


 

Masssattel hiess Lösung

Pferde haben Ruth Zindel schon als Kleinkind begeistert. „Bevor ich laufen konnte, sass ich auf einem Pony.“ Die Bauerntochter absolvierte das Reitbrevet, danach die Springlizenz. Sie entwickelte viel Gespür und Feingefühl für Pferde. Reagierte eines jedoch zickig oder verweigerte gar Sprünge, fehlte ihr das nötige Hintergrundwissen, um den Tieren zu helfen.

 

Ratlos war sie auch, als ihre während eines Irlandaufenthalts erworbene Stute vor acht Jahren nicht mehr richtig laufen wollte. Ein Untersuch am Tierspital ergab, dass der schlecht sitzende Sattel beim Tier Verspannungen im Rücken auslöste. Sie befolgte den Rat der Fachleute und liess einen Sattel nach Mass anfertigen. „Seither läuft das Pferd problemlos.“

Weil sie in der Umgebung niemand fand, der bei Nutbush City B die Verspannungen lösen konnte, hielt sie bereits dazumal Ausschau nach einer Ausbildungsmöglichkeit.


 

Zweijährige Ausbildung

Bekunden Reiter mit ihren Tieren Probleme, wird Ruth Zindel hellhörig. Vor fünf Jahren reifte der Entschluss, am Deutschen Institut für Pferdeosteopathie eine Ausbildung zur Pferdephysiotherapeutin in Angriff zu nehmen.

Während zwei Jahren besuchte sie Seminare und eignete sich Wissen an, angefangen bei Untersuchungsmethoden und Befunderhebung über Neurologie, Zahnheilkunde und Biomechanik bis hin zu gezielter Therapie und Masssage. „Meine medizinischen Kenntnisse kamen mir bei dieser Zusatzausbildung zugute“, blickt sie zurück.

Nach bestandener Prüfung musste sie zehn Pferdebehandlungen protokollieren, die ebenfalls überprüft wurden. Danach folgten Weiterbildungen in Biochemie nach Dr. Schüssler, Tierkommunikation, Kraniosakraltherapie usw.


 

Ergänzt tierärztliche Behandlung

Ruth Zindel hat sich in den letzten Jahren viel Wissen angeeignet. Ziel der Pferdephysiotherapie (www.pferdephysio-equus.ch), so die Bad Ragazerin, sei die Erhaltung oder Wiederherstellung der Beweglichkeit der Gelenke, der Muskulatur, der Sehnen und Bänder eines Tieres. Sie ersetzte nicht die tierärztliche Behandlung, sondern ergänze diese sinnvoll und harmonisch.

Meist sind es Pferdebesitzer aus der Region, darunter auch Kolleginnen und Kollegen vom Reitverein Gonzen, die sie kontaktieren, wenn Probleme beim Tier auftreten. Das können unter anderem Rückenbeschwerden sein, Schiefhaltung des Schweifs, Überforderung im Sport oder Muskelbeschwerden, die auftreten, wenn ein Pferd nach einem Unfall lange stehen muss. In einem ersten Schritt unterhält Ruth Zindel sich mit dem Reiter oder Besitzer. „Ich will wissen, wann und wo es hapert.“

 

Beim ersten Untersuch erstellt sie beim Pferd beispielsweise eine Ganganalyse, entscheidet sich für einen Tastbefund oder einen Beweglichkeitstest. Näher unter die Lupe genommen werden oft auch Sattel- und Zaumzeug oder etwa Hufbeschlag. Danach wird ein Behandlungsplan erstellt. Zu den Behandlungsmethoden gehören Massage ebenso wie Dehnungsübungen, Akupressur und bei Bedarf Biochemie nach Dr. Schüssler. „Wichtig ist dabei das Problemverständnis und die Mitarbeit des Reiters, um den Erfolg der Therapie dauerhaft zu erhalten.“

Gespannt ist sie jeweils auf das Feedback bei der Folgebehandlung. Diese entscheidet denn auch, ob und wie allenfalls weiter gearbeitet werden muss.


 

Tiere fassen schnell Zutrauen

Wie reagieren die Pferde auf die Physiotherapeutin? „Das ist immer wieder eine spezielle Erfahrung“, sagt Ruth Zindel. Oft sei das zu behandelnde Tier am Anfang zurückhaltend. Wenn sie mit ihm spreche, seine Mimik verfolge und es schliesslich vorsichtig berühre, fasse es schnell Zutrauen.

Gewisse Pferde würden beinahe einschlafen, wenn sie ihnen den Kopf massiere. „Wenn man sein Verhalten verfolgt und richtig deutet, benötigt man keine Tricks und Spezialmethoden, aber sehr viel Geduld, Konsequenz und Selbstkritik.“

 

Ein 100-Prozent-Job, das Engagement als Pferdephysiotherapeutin, Tier- und Stallpflege, Spring- und Dressurtraining, Turniere, Mitgliedschaft beim Reitverein Gonzen: Bleibt da noch Zeit für anderes? „Wenig“, gesteht Ruth Zindel lachend. „Vielleicht mal eine Velofahrt oder eine Tour mit den Inline Skates.“ Verstehen können sie all jene, die – wie sie – überzeugt sind: Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.


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