Der Glöckner von Notre-Dame mit unerwarteter Aktualität

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Annika Langenbach singt von der Liebe zum Hauptmann Phoebus. Fotos: Edi Furrer.
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Die Tänzerinnen Nathalie Pede und Giada Perotto.

Die Aufführung des Vereins Musikbühne erweist sich als Publikumsmagnet - bereits ist eine dritte und letzte Zusatzvorstellung am 12. November angesetzt. Weitere Informationen unter: www.musikbuehne.ch.  

"Wir sind Sans-papiers, Fremde, Männer und Frauen ohne Obdach - oh Notre-Dame, wir bitten Dich um Asyl!" Ist dies wirklich eine Geschichte aus dem Mittelalter, die Victor Hugo 1831 erzählte? Die Chansons von Cocciante/ Plamondon zeigen die Aktualität des Romans: Unerwiderte Liebe, Fremdenhass und die Schwierigkeiten des Zölibats.

 

Miriam Reber

03:11:2009

 

Das Lied "Sans-papiers" ist der erste Höhepunkt. Jesse Brown zeigt mit seiner ausdrucksstarken Stimme Präsenz, begleitet von Chorgesang und Tanz. Die Melodien erzählen, dass sich Fahrende, Gauner und Arme vor den Toren von Paris versammeln und Einlass verlangen. Wir hören sie feiern, den verunstalteten Quasimodo zum Narrenpapst wählen und ihren Versuch, die umschwärmte Zigeunerin Esmeralda zu befreien. Das Orchester unter der Leitung von Gianni Pede unterstützt die Stimmung speziell mit Akkordeonklängen von Sonja Wagenbichler.

 

Zerrissenheit in der Liebe

In "Beau comme le soleil" schwärmen als Altistin Noëmi Aellig mit wunderschönem Timbre und die Sopranistin Annika Langenbach für ihren Phoebus. Die innig gesungene Antwort von Reto Frischknecht in "Déchiré" zeigt nicht wirklich Zerrissenheit, denn er will die eine für den Tag, die andere für die Nacht. Untermalt wird diese Entscheidung durch den fliessenden Tanz von Myriam Hirt, Selina Perotto und Nicky Beciri. Zerrissen zeigt sich dafür Omar Marrocco, der die Songs von Frollo dem Priester singt. Seinen grossen stimmlichen Ausdruck erreicht er erst im zweiten Teil des Konzerts, vor allem im Lied "Être prêtre et aimer une femme". Sein verzweifeltes "je t'aime" lässt die Zuhörer hoffen, dass er sich die Liebe von Esmeralda nicht mit Gewalt holen wird.

 

Die Schöne und das Biest

Stefan Winterhalter und Noëmi Aellig erreichen unsere Herzen mit der alten Geschichte von der Schönen und dem Biest. Im heidnischen Ave Maria bittet Esmeralda um den Schutz Marias und um das Verständnis für die Fremden. Im "Dieu que le monde est injuste" beklagt Quasimodo seine Hässlichkeit, die Esmeralda daran hindert, ihn zu lieben.

 

Zeiten grosser Veränderung

Die Geschichte des Glöckners von Notre-Dame spielt in Zeiten des Wandels, die Verunsicherung und Hass zur Folge haben. Von diesem Wandel erzählen die Songs des Dichters Gringoire, eindrücklich gesungen von Noah Stieger. Im Hintergrund verwandelt sich die Projektion von Anna Furrer von der Rosette der Kathedrale von Notre-Dame in ein Steuerrad, ein Glücksrad und in das Rad der Zeit. Vorwerfen kann man der Produktion einzig ihre Länge. Die gesanglich gut vorbereiteten Solistinnen und Solisten, die klangvollen Chorstimmen, der expressive Tanz und ein abwechslungsreich begleitendes Orchester lassen die Zuhörenden jedoch bis zum Ende gespannt an der tragischen Geschichte teilnehmen.


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