Bis 1981 wurden in der Schweiz Tausende von Menschen
Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Betroffen waren junge Frauen und Männer, die zur
«Nacherziehung» oder zur «Arbeitserziehung» in geschlossene Institutionen eingewiesen wurden
(administrative Versorgungen). In zahlreichen Fällen erfolgte sogar eine Einweisung in eine
Strafanstalt, einzig weil die betroffene Person
durch ihr Verhalten – gemessen an den damaligen Moral-
und Rollenvorstellungen – auffiel oder soziale Missbilligung bewirkte. Zu den Opfern zählen auch
Personen, die zwangssterilisiert, zwangskastriert wurden und Kinder bzw. Eltern, die von
Zwangsadoptionen betroffen waren. Betroffen waren
namentlich auch Kinder, welche bei Bauern verdingt oder
in Heimen und Pflegefamilien fremdplatziert
wurden. Ein Grossteil der Versorgungen beruhte auf
administrativen oder fürsorgerischen Massnahmen, die von kantonalen oder kommunalen Instanzen
(insbesondere Vormundschafts-, Jugendstraf-
verfolgungs- und Armenbehörden) verhängt wurden. Diese
Praxis wurde erst 1981 mit dem Inkrafttreten neuer Gesetzesbestimmungen verunmöglicht.
Soforthilfe für Opfer von fürsorgerischen
Zwangsmassnahmen
Um bedürftigen Opfern von Zwangsmassnahmen rasche
Unterstützung bieten zu können, wurde auf
Anregung des Runden Tisches ein Soforthilfefonds
eingerichtet. Dieser wird aus freiwilligen Beiträgen der öffentlichen Hand und Privater geäufnet.
Organisationen sind eingeladen, sich mit einem Beitrag
an der Finanzierung des Fonds zu beteiligen.
Die Verwaltung des Fonds wird von der Glückskette
übernommen. Diese hat dafür ein eigenes Konto
eingerichtet:
- Glückskette, 1211 Genf – 8 Spezialfonds
-
IBAN CH96 0900 0000 1444 4422 2
Opfer, die sich in einer finanziellen Notlage befinden,
können ein Gesuch um finanzielle Unterstützung
stellen. Vorgesehen sind einmalige Beiträge in der
Grössenordnung von 4000 bis 12000 Franken. Die
kantonalen Opferhilfestellen – die als Anlaufstellen für
die Betroffenen von fürsorgerischen Zwangs-
massnahmen fungieren – sind über das Vorgehen informiert
und stehen für Auskünfte zur Verfügung.
Akteneinsicht
Betroffene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen haben ein
Recht auf Akteneinsicht. Die Schweizerische Archivdirektorinnen- und
Archivdirektorenkonferenz ADK hat zuhanden von Behörden und
Betroffenen Empfehlungen zur Aktensicherung und
Akteneinsicht veröffentlicht. Sie sind unter
www.fuersorgerischezwangsmassnahmen.ch/de/aktuelles.html. abrufbar.
Bericht und Massnahmenvorschläge des Runden Tisches
Am 1. Juli 2014 hat der Runde Tisch nach einem Jahr
Tätigkeit seinen Bericht und seine Massnahmenvorschläge zuhanden der politischen Behörden
verabschiedet. Er schlägt namentlich finanzielle
Leistungen zugunsten der Opfer in Form eines
Solidaritätsfonds auf gesetzlicher Grundlage vor. Er
empfiehlt auch die Beratung und Betreuung von
Betroffenen, eine umfassende Aktensicherung und
Akteneinsicht sowie die wissenschaftliche Aufarbeitung
dieses dunklen Kapitels der Schweizer Sozialgeschichte. Für den Runden Tisch ist klar, dass Staat
und Gesellschaft in der Schuld der Opfer stehen. Die entsprechende Medienmitteilung und den Bericht
finden Sie unter
www.fuersorgerischezwangsmassnahmen.ch/de/aktuelles.html.Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ
versorgter Menschen
Am 1. August 2014 tritt das Bundesgesetz über die
Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen
(vgl. BBl 2014 2853) in Kraft. Die EKF hat sich in den
vergangenen Jahren für die betroffenen Menschen engagiert, nachdem Frauen, die ehemals in der
Strafanstalt Hindelbank administrativ versorgt
wurden, mit der Bitte um Unterstützung an die Kommission
gelangten. Weitere Informationen dazu
unter
www.frauenkommission.ch.Volksinitiative «Wiedergutmachung für Verdingkinder und
Opfer fürsorgerischer Zwangs-
massnahmen (Wiedergutmachungsinitiative)»
Am 31. März 2014 wurde in Bern die
«Wiedergutmachungsinitiative» lanciert. Sie wird von Politikerinnen und Politikern aus den meisten grossen Parteien sowie
von Betroffenen und ihren Organisationen
getragen. Informationen dazu unter
www.wiedergutmachung.ch