Verliebte Feinde: Iris und Peter von Roten

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Iris von Roten hat die (Frauen-) Geschichte nicht nur der Schweiz geprägt.
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Peter von Roten setzte sich für die Emanzipation der Frau ein.

Nicht nur der Inhalt, sondern auch das Buch als Gegenstand ist kostbar: Das Buch von Wilfried Meichtry (Ammann 2007) umfasst 647 Seiten, zusätzlich zwei Stammbäume der Familie von Roten und der Familie Meyer. Es ist in neun Teile gegliedert, diese sind ihrerseits in etwa 4-6 Kapitel unterteilt. Daran schliesst sich ein Personenregister, eine Zeittafel, die Quellenlage, Bibliographie und ein Dank an verschiedene Personen. Eine Widmung und ein Dank an den Schweizerischen Nationalfonds machen den Anfang im Buch.

 

Ruth-Isabelle Aeberli

28:06:2009

 

Spannend wie ein Krimi und lehrreich wie ein Geschichtsstudium

Man lernt viel über die zwei verschiedenen, aussergewöhnlichen Charaktere von Peter und Iris, ihrer Beziehung, den damaligen Zeitgeist (vorwiegend zwischen 1930-1960), die Walliser Familientraditionen, den Katholizismus, das damalige Frauenrecht und was für ein Kampf diesbezüglich noch ausgefochten werden musste in der Politik. 

Wilfried Meichtry schreibt gekonnt, genau und differenziert über diese beiden aussergewöhnlichen Menschen. Iris und Peter hatten sich über 1300 Briefe geschrieben. In diesen diskutierten und tauschten sie sich miteinander aus. Zuerst fürchtete Peter sich vor ihrer offenen, nicht prüden Art und sah sie in ganz falschem Licht. Mit der Zeit konnte sie all seine Zweifel beseitigen und sie heirateten trotz ihres nicht Konvertierens zum Katholizismus.

Peter hatte dies zur Bedingung gemacht. Iris bemühte sich und liess sich von einem Pater unterweisen. Schliesslich musste sie einsehen, dass sie sich nicht so verbiegen konnte und Peter verlangte dies allmählich auch nicht mehr von ihr. Peter hatte mit diesem Akt seine Familie vor den Kopf gestossen. Weder seine Mutter, noch sein älterer Bruder, noch die Tante von Peter wollte diese Ehe. Sie arbeiteten daran eine solche zu verhindern.

 

Iris und Peter lebten einige Jahre in Raron im Geburtshaus von Peter, bei Peters Mutter und Tante. Mutter und Tante begegneten Iris kühl, distanziert und abweisend. Eine Erfahrung die Iris noch oft in ihrem Leben machen musste. Spätestens als ihr Buch "Frauen im Laufgitter" 1959 veröffentlicht wurde. Nun begann die Hetze gegen sie Schweizweit. Viele Menschen, darunter auch sehr viele Frauen begannen eine Hasstirade, es wurden ihr böse Briefe gesandt, sie wurde in den Zeitungen beschimpft und auch an der Basler Fasnacht wurde sie zur Lächerlichkeit herabgewürdigt.

In der Beziehung von Iris und Peter war es Iris, die die freie Liebe propagierte. Peter war zuerst konsterniert und wollte dies nicht. Anfangs war er auch gar nicht fähig eine andere Frau zu verführen. Plötzlich als er aber den Dreh raus hatte, hatte er ständig andere Beziehungen neben Iris.


Frauenfragen

Kurz nach ihrer Heirat reiste Iris 1947 nach England, um einen Sprachaufenthalt zu absolvieren und sich eingehend mit der feministischen Literatur zu befassen. Acht Monate nach ihrer Rückkehr aus England verreiste Iris für unbestimmte Zeit in die USA. Sie wollte Soziologie studieren, ihr Englisch perfektionieren, Kontakte knüpfen, Kurse in Fotografie belegen und journalistische Projekte verfolgen. Und an ihrem Buch welches sie in Leuk begonnen hatte, weiterschreiben.


Peter wurde 1947 Nationalrat in Bern. Er setzte sich seinerseits sein Leben lang für das Anliegen der Frau ein und lancierte mit guten Ideen eine Umfrage in der Walliser Bevölkerung ob diese das Frauenstimm- und Wahlrecht gutheissen würde.


Reisen

Nachdem Iris ihr Buch im Jahre 1959 endlich veröffentlichen konnte, zog sie einen Schlussstrich unter ihr öffentliches Engagement für die Sache der Frau und plante 1960 eine sechsmonatige Reise in die Türkei. Sie begann nun eine weitere Leidenschaft zu pflegen, sie begann zu malen. Sie hatte schon seit ihrer Schulzeit immer wieder gezeichnet.

Vereinzelt reiste Iris nach 1970 noch. Kenia, Malta, Brasilien und Tunesien waren die letzten grossen Destinationen. 1984 unternahm sie ihre allerletzte grosse Reise.


Älterwerden und Freitod

Iris machte das Älterwerden zu schaffen. Sie hatte schon als 30-Jährige dem Dichter Maurice Chappaz gesagt: "Wenn das Leben nicht mehr lebenswert ist, bringe ich mich um."

Auch Peter wusste von ihren Selbstmordabsichten seit 1946. Nachdem sie bei einem Verkehrsunfall 1988 einen komplizierten Beinbruch erlitt, der ihr das Gehen weiter erschwerte, und kurz darauf eine Augenoperation über sich ergehen lassen musste, stand ihr Entschluss fest. Als ihre jüngere Schwester ein paar Monate später einem Hirnschlag erlag, war das Mass endgültig voll.

 

Iris erhängte sich am 11. September 1990 in ihrer Wohnung in Basel. Peter fand sie kurz darauf und meinte sie sehe wie ein Engel aus. In diesen letzten Jahren hatte Peter immer wieder Angst gehabt, wenn er nachhause kommen würde, sei Iris tot. Wie bei all ihren Unternehmungen recherchierte Iris auch in diesem Fall gründlich. Ein Abschiedsschreiben hatte Iris bereits am 31. Januar 1990 verfasst. Im Freitod sah Iris den letzten Akt von Selbstbestimmung und Freiheit. Nach aussen trug Peter Iris Tod' mit grosser Fassung. Enge Bekannte mutmassten aber, dass er ihn schwer traf.


Ein exzellentes Werk, dass ich wärmstens empfehlen kann. Ein echtes und sehr bereicherndes Abenteuer. Lesen Sie es!


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