24:06:2014
MatriArchiv
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Kontaktperson
Christina Schlatter
Mit einem begeisterten und begeisternden Referat eröffnete Christina Schlatter, MatriArchiv St. Gallen, am 14. Juni 2014 den Thementag im vollbesetzten Vortragssaal der Kantonsbibliothek Vadiana St. Gallen.
Christa Stahel
Sie
selbst sei überrascht «von der Fülle der Belege für einen weiblich geprägten
Schamanismus», meinte sie gleich zu Anfang ihrer Ausführungen und kam dann auch
gleich zur Sache.
Der Beg riff Matriarchat
habe seine etymologische Wurzel in der arche
= Anfang, Beginn, Ursprung. Die weltweit seit der Altsteinzeit bis etwa um
14000 v.u.Z. matriarchal organisierten Völker waren Sakralgesellschaften mit
einer universellen kosmischen und/oder Erdgottheit und einer fähigen älteren
Frau als Clanvorsteherin. Mit ihren spirituellen Fähigkeiten konnten sie als Stammesmütter
und Königinnen ihrer Völker, als Schamaninnen, im Kontext des
Wiedergeburtsglaubens mit den Ahnen Kontakt aufnehmen und sich bei ihnen für
alle Probleme im Leben Hilfe erbitten. Die Frauen und Mütter wurden als
Wiedergebärerinnen der Ahnen verehrt. Mit dem Patriarchat verloren die Frauen
ihre priesterliche Funktion, die neuen männlichen Schamanen verlagerten den
Schwerpunkt auf das Heilen.
Max Dashu, die
bekannte amerikanische Historikerin und Matriarchatsforscherin, hat in einer
grossartigen DVD-Präsentation Einblick gegeben in die Welt der Göttinnen und
Schamaninnen. Mit über 14'000 Dias hat sie den Zeitraum von 10'000 Jahren
eingefangen und dokumentiert. Leider hat sie nicht dabei sein können, uns aber
ihre schönsten und eindrücklichsten Bilder zur Verfügung gestellt. Die Frauen
des MatriArchivs haben sie verdankenswerterweise auf Deutsch übersetzt. Beeindruckend
waren vor allem die Göttinnenfiguren, Mütter der Erde, jede einzelne eine Frau
Holle.
Nicht weniger
spannend waren die Ausführungen von Kurt Derungs, Forscher und versierter
Kenner der schamanischen Spuren in der europäischen Alpenwelt. Unzählige
Zeichnungen auf Stein zeugen davon, dass auch hier Ahninnenkulte und
schamanische Rituale stattgefunden haben. Im Zusammenhang mit den
Ahninnenkulten habe es auch hier heilige Berge gegeben - damals.
Marianne Schneider
hat jahrelang von mongolischen Schamaninnen gelernt und deren Schaffen mit der
Kamera festgehalten. Nichts Spektakuläres, kein Pomp, kein «public viewing» -
bescheiden, in einer Aura von Dankbarkeit und gleichzeitig Wissen und Weisheit
führen die fünf Schamaninnen ihre Zeremonien durch. Neben ihnen sitzen
Familienangehörige, hören und schauen zu. Leise, andächtig, mit Hingabe. Die
Schamanin wirft winzige Knöchelchen, zündet kleine Lichter an, murmelt Formeln
- oder sind es Gebete? - fast unhörbar, geht dann und wann hin und her, steht
auf und setzt sich wieder. Dann erzählt sie der Familie, was sie erkannt hat.
Wie lange so eine kultische Handlung dauert, ist nicht ganz klar - 20 Minuten,
eine halbe Stunde, eine Stunde? Jedenfalls ist die Schamanin anschliessend
erschöpft und muss ruhen.
Ob nicht die Hexe
in unseren Märchen, die aus uraltem mythologischem Gedankengut entstanden sind,
Schamaninnen waren, vom Patriarchat verstümmelt und verteufelt? ( Anm. der Autorin )
Die Veranstaltung
war ein Hochgenuss, ein Dankeschön und Bravo ans MatriArchiv.