Schweizerin sorgt sich um Landsleute in Südlibanon

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Brigitte Schwaab-Hayek und ihr Sohn Frédéric, auf dem Dach ihrer Liegenschaft in Maghdouché. Im Hintergrund schiitische Dörfer, die 2006 bombardiert wurden. Bild: Pierre Vaudan.
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Schiitische Amalmiliz im Quartier Corniche al Mazra in Beirut, einem der meist umkämpften Quartiere der Stadt. Bild: Pierre Vaudan.

Quelle des Textes ist: www.swissinfo.org.

Als Kontaktperson der Schweizer Botschaft für ihre Landsleute in Südlibanon hat Brigitte Schwaab-Hayek den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Juli 2006 aus nächster Nähe miterlebt. Porträt einer Weltbürgerin ohne Furcht.

 

Pierre Vaudan, Maghdouché

16:07:2008

 

"Einige Tage nach dem Beginn der Bombenangriffe zerstörten die Israelis direkt unterhalb von uns eine Brücke. Die Explosion war so stark, dass mir das Trommelfell in den Ohren den ganzen Tag über schmerzte. Damals hatte ich wirklich Angst. Dann habe ich mich aber aufgefangen, das Telefon wieder gepackt und mich um meine Schweizer gekümmert". Seit ihrer Ankunft vor 12 Jahren in Libanon hat Brigitte Schwaab einiges durchgemacht.

Niedergelassen hat sie sich mit ihrem Mann Claude und ihrem Sohn Frédéric in Maghdouché, das grösste christliche Dorf in Südlibanon, ein Steinwurf von Saïda entfernt. Sie gehört zu einem Netz von Kontaktpersonen, das die Schweizer Botschaft im Land aufgezogen hat, um den Landsleuten im Notfall zu helfen.

Während des Kriegs 2006 zwischen Israel und der Hisbollah war sie tagelang telefonisch mit den rund 100 Schweizern in Kontakt, die in ihrem Sektor eingeschlossen waren, um sie für eine mögliche Evakuation zu begleiten oder auch nur, um sie zu beruhigen. Aber wie hat es die gebürtige Bernerin angestellt, eine Verbindung zwischen der Botschaft und den wegen der Bombenangriffe blockierten Landsleute herzustellen?



Mit sechs Wochen das Bündel gepackt

Bereits im Alter von sechs Wochen hatte Brigitte eine grosse Reise miterlebt, als ihr Vater als Geologe in der Erdölförderung in der tunesischen Stadt Karthago beschäftigt war. Als Brigitte knapp 6 Jahre alt war, reiste die Familie für drei Jahre nach Italien, danach lebte sie 10 Jahre in London.

"Ich wurde immer in französischen Schulen unterrichtet, aber zuhause sprachen wir Schweizerdeutsch." Ihr Weg war also vorgespurt, eine Weltbürgerin zu werden, mit einem schweizerischen Wertesystem, das sie durch Bildung und Erziehung erworben hatte. "Meine Eltern wollten immer, dass meine Schwester und ich in der Schweiz studierten", sagt Brigitte Schwaab-Hayek. Deshalb besuchte sie ab 1980 die Handelshochschule in Lausanne (Hautes Etudes Commerciales) und war während der Studienzeit im Internat des katholischen Univeristätszentrums untergebracht.

Dort traf sie zum ersten Mal den Mann, den sie 13 Jahre später heiratete. "Claude musste Maghdouché verlassen, als der Krieg in Libanon wütete", erzählt Brigitte. "Er studierte Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne."



Man gewöhnt sich an den Schrecken

Danach war Brigitte Schwaab-Hayek als "purchasing manager" an der Klinik Cecil in Lausanne tätig, bevor sie erneut die Koffer packte. Ein zufälliges Wiedersehen mit Claude führte sie schliesslich ins Rathaus von Lutry, wo sie sich 1996 mit Claude vermählte. Im gleichen Jahr noch reisten sie nach Libanon. "Für mich war es einfach ein Umzug in eine andere Stadt. Ich hatte gar keine Befürchtungen."

Der Alltag in Maghdouché war dann aber gezeichnet von den ständigen israelischen Bombenangriffen auf die schiitischen Dörfer in der Umgebung. "Ich habe schnell gelernt, in einem Land zu leben, in dem man nicht so leicht in Panik gerät", sagt sie. "Es ist schrecklich, aber man gewöhnt sich an diese Dinge."



Warten auf die Evakuierung

Nach einigen friedlicheren Jahren seit der Beendigung der israelischen Besetzung im Jahr 2000 wurden alle vom Ausmass des Kriegs im Jahr 2006 überrascht.

"Die Botschaft hat mich sofort gebeten, mit den Schweizern Kontakt aufzunehmen, die sich in meiner Region aufhielten", erinnert sich Brigitte Schwaab-Hayek. Die Angriffe waren so heftig, dass die Familie zu den Schwiegereltern im weniger exponierten Parterre des Gebäudes umziehen musste.

"Damals arbeitete ich 12 Stunden im Tag in einem improvisierten Büro", erzählt sie. "Ich war mit schlimmen Situationen konfrontiert, zum Beispiel mit einer Frau und ihren Kleinkindern, deren Dorf ganz im Süden den israelischen Angriffen ausgesetzt war." Während einige Landsleute in der bedrohlichen Lage die Ruhe bewahrt hätten, seien andere in Panik geraten. "Es war nicht einfach, ihnen trotz ständiger Bombardierungen zu raten, einfach auszuharren und sich für eine mögliche Evakuierung bereit zu halten."

Als dann endlich ein Boot anlegen konnte, rief Brigitte Schwaab-Hayek an und sagte: "Jetzt ist es soweit. Sie haben 30 Minuten Zeit, um sich dorthin zu begeben. Es war verrückt."



Sorge um den Sohn

In drei Wochen gelang es ihr, die Mehrheit der Schweizer in der Region zu den Evakuationsorten zu führen. Hin und her gerissen zwischen dieser Aufgabe und der Sorge um die Sicherheit ihres 10-jährigen Sohns Frédéric habe sie sich dann eines Tages, gegen Ende des Konflikts, als sich die Lage etwas beruhigt hatte, gefragt: "Was mache ich überhaupt noch hier, mit meinem Sohn?"

Wenige Tage später reisten Brigitte und Frédéric ab, gemeinsam mit der letzten Gruppe von 22 Schweizern auf einer Fregatte der U-Boot-Abwehr. Aber nur sechs Wochen später kehrte sie zurück nach Maghdouché.

Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler.


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