Mamas Spitzbuben oder: Unterwegs ohne Rezept

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Besinnliches...
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...und süsse Zeiten.

Eltern sein ist eine der bereicherndsten und anspruchsvollesten Aufgaben, die wir uns aussuchen können. Nur äusserst wenige „Berufungen“ beinhalten eine ähnliche Vielfalt, eine derartige Herausforderung und haben eine solche Auswirkung auf unser persönliches Leben, wie uns dies Mutter oder Vater sein abfordert.

Teddybär aus dem Backofen nehmen und das Blech mit Backtrennpapier belegen. Butter auf Raumtemperatur bringen und weich rühren. Den Teddybär wieder aus dem Ofen nehmen und zum Junior „nei, nei“ sagen...

 

Franziska Elsaesser-Guggenbühl

29:11:2013

 

...Puderzucker, Salz, Vanillezucker und Eiweiss hinzugeben und schaumig rühren. Dem Junior die Giesskanne aus den Händen nehmen und den Boden aufwischen. Das Mehl zugeben und einen Teig formen. Dem Junior die Giesskanne erneut aus den Händen nehmen und die Katze abtrocknen. Den Teig an die Kühle stellen.

 

Das Telefon vom Junior nehmen und dem andern Ende erklären, dass der Anruf wirklich nicht für diese Nummer bestimmt war. Den Teig auf etwas Mehl in kleinen Portionen auf eine Dicke von 2 mm auswallen. Die Schere aus Juniors Händen nehmen und ihm erklären, dass die Katze ihre Schnauzhaare braucht - nicht wie Papa.

 

Den Ofen auf 200 °C vorheizen. Pflaster für Juniors zerkratzte Hände holen. Die eine Hälfte der ausgestochenen Förmli mit einem Loch versehen. Den glimmenden Teddy aus dem Ofen nehmen, alle Fenster öffnen und den Ventilator anstellen. Das Blech in  den Ofen schieben, in den Keller rasen und Johannisbeergelee holen. Die Katze aus dem Kühlschrank lassen und sie vor die Haustür stellen, solange sie noch davonrennen kann.

 

Den Johannisbeergelee leicht erwärmen und glattrühren. Die Tür öffnen, weil‘s geklingelt hat: Nein, nein, es brennt nicht bei uns, danke. Den Junior ins Laufgitter setzen. Die verkohlten Guetzli aus dem Ofen nehmen und den warmen Gelee  aufs Butterbrot streichen.     Kommt Ihnen das Rezept bekannt vor? Genau, das war damals, als manchen von uns Kinder erziehen noch wie Zuckerlecken vorkam (auch wenn es denjenigen von Ihnen, die sich gerade in dieser Entwicklungsphase befinden eher unglaublich erscheinen mag).

Denn wer Teenager hat, erinnert sich gerne an die Zeiten, in denen wir glaubten, noch alles im Griff zu haben.

Eltern sein ist eine der bereicherndsten und anspruchsvollesten Aufgaben, die wir uns aussuchen können. Voller Höhen und Tiefen: Zeiten überschwänglicher Freude und Hochgefühls, dann wieder Zeiten der Verzweiflung und völliger Ratlosigkeit. Nur äusserst wenige „Berufungen“ beinhalten eine ähnliche Vielfalt, eine derartige Herausforderung und haben eine solche Auswirkung auf unser persönliches Leben, wie uns dies Mutter oder Vater sein abfordert.

 

Es ist eine gemeinsame Reise des Reifens und Wachsens, für Kinder wie Eltern. Wo wir landen, ist ungewiss; was wir kennen, ist die ungefähre Reiseroute durch Neuland, für das es nur rudimentäre Karten gibt - unerwartete Stolpersteine sind ebenso wenig gekennzeichnet wie die wunderbarsten Oasen. Gleichzeitig beginnen viele von uns den Weg ohne Qualifikationen und ohne Unterstützung. Und müssen sich darüber hinaus mit den täglichen Ansprüchen des heutigen Lebens abmühen, oft erschwert   durch finanziellen Druck, Isolation und Erschöpfung. 

 

Unsere moderne Gesellschaft versagt Eltern gegenüber schnell  einmal und so lastet viel auf den Schultern Einzelner. Wo früher die Grossmutter oder vielleicht die Tante Rat wussten, finden sich heute Tipps und Ratschläge im Internet oder in Zeitschriften - im Überfluss. Dabei auf wirklich Hilfreiches zu stossen kostet Zeit, welche den meisten fehlt.

Und eigentlich wissen wir ja, wie gute Eltern sein sollten: geduldig, liebevoll, ruhig, zuversichtlich, verständnisvoll, jederzeit mit Herz und Seele bei der Sache.

Nun ja, ich muss gestehen, bei mir gibt es Momente, in denen bereits der blosse Gedanke an diese Beispielrolle Atem beraubend ist und das Letzte, was ich brauchen kann. So hohe Anforderungen, denen ich oft nicht genüge. Für mich ist dies ein Signal, zur Besinnung zu kommen und mir etwas Raum im Kopf zu verschaffen. Damit ich mir überlegen kann, was mir denn wirklich wichtig ist, was ich weitergeben möchte, was für eine Umgebung ich schaffen möchte.  

 

Wenn ich mir wieder bewusst werde, was ich selber Sinn-voll finde, ist es plötzlich wieder einfacher. Ich finde die richtigen Worte und sehe meine Kinder als eigenständige Personen vor mir, nehme sie wahr, höre, was sie mir sagen. Denn vielleicht kennen Sie das auch, es kann leicht vorkommen, dass wir Kinderstimmen ausblenden, weil unsere Gedanken mit irgendetwas anderem beschäftigt sind.  

Da sind wir wohl anwesend, aber zugleich auch nicht da.  

Mit der Klärung eigener Grundsatzfragen ist Erziehung zwar noch lange kein Kinderspiel, aber ich denke, gewisse Entscheidungen fallen leichter. Sogar ein Nein zum richtigen Zeitpunkt, wie bei den Spitzbuben. Und wenn’s doch daneben gehen sollte, können wir’s ja mal mit gebrannten Mandeln oder Crème brulée versuchen. Hauptsache süss.


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