Die angekündigte Rückkehr des Tiermehls

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Keine Kompromisse bei den Sicherheitsgarantien zur erneuten Verwendung von Tiermehlen, verspricht das BVET.
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Der Anbau von Soja führt unter anderem zu massiver Entwaldung.

Fleischabfall-Berg


Schweizer Schlachthöfe produzieren jedes Jahr 200'000 Tonnen Fleischabfälle. Nach dem Kochen und Verdampfen des darin enthaltenen Wassers bleiben davon 24'000 Tonnen Fett, 45 Tonnen Tier- und 18 Tonnen Knochenmehl übrig. Ein Teil des Fettes findet Verwendung in der Kosmetikindustrie. Der meiste Abfall wird verbrannt, damit kein Tiermehl mehr in die Nahrung der Rinder gelangen kann. Diese Verbrennung kostet pro Jahr 90 Mio. Franken, die Hälfte bezahlt der Bund.

 

Quelle: Radio SRI/ swissinfo.


Zum Blog "Tiermehlverbot " des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET) geht es hier.  

Seit der BSE-Krise werden jene Tierabfälle verbrannt, die der Mensch nicht isst - mit hohen Kosten. In Europa wie auch in der Schweiz wird nun die Rückkehr des Tiermehls vorbereitet. Diesmal mit einer möglichst hohen Sicherheit.

 

Pressedienst

12:05:2008

 

"Es steht ausser Frage, dass die erneute Verwendung von Tiermehlen nicht ohne sehr strikte Sicherheitsgarantien bewilligt wird", sagt Cathy Maret, Pressesprecherin des Bundesamts für Veterinärwesen (BVET), gegenüber swissinfo. "Es wird keine Kompromisse geben."
Denn Tiermehle machen Angst. In den 1990er-Jahren ist durch diese die Tierseuche Rinderwahnsinn entstanden. Dies hatte zu Massenschlachtungen von Kühen und einem Rückgang des Fleischkonsums geführt.

Doch weit weg von der öffentlichen Panik, die sich breitmachte, wussten die Spezialisten bereits, dass das Verbot nur für eine gewisse Zeit gelten würde.
"Wir haben immer gesagt, dass wir es verbieten würden, doch wenn der Rinderwahnsinn vorbei sei, müsse man sich die Frage stellen, was mit den Abfällen geschehen soll", erinnert Maret.


Enorme Verschwendung

Denn es geht um wirtschaftliche und ökologische Überlegungen. Der Mensch isst von einer geschlachteten Kuh oder einem Schaf meist nur etwas über die Hälfte des Fleischs. Auch bei Schweinen und Hühnern kommt dieser Anteil nicht über 60 bis 70%.

Schweizerinnen und Schweizer, die Fleisch konsumieren, hinterlassen in ihrem Leben also über zwei Tonnen Fleischabfälle: Fett, Knochen, Leder, Haare und Federn.
Vor den Verboten wurde der Grossteil der Abfälle zerhackt, gekocht, getrocknet und zu Tiermehl verarbeitet. Heute wird dies immer noch gemacht - nur wird das Mehl in den Öfen von Zementwerken verbrannt.
Denn die Abfälle weisen viel zu viel Wasser auf, um einfach so verbrannt werden zu können. Deshalb der teure Umweg über das Tiermehl, der zu einer sehr mittelmässigen Energiebilanz führt.

Und es kommt noch dicker: Seit dem Verbot von Tiermehl wurde das tierische Eiweiss durch pflanzliches ersetzt, namentlich aus Soja. Eine Pflanze, die viel Wasser, Düngemittel und Pestizide braucht und deren Anbau zu massiver Entwaldung führt.

Zudem ist industriell hergestelltes Soja häufig gentechnisch verändert. Und seit einiger Zeit ist der Preis für Soja, wie auch für andere Getreide, stark angestiegen.

"Auf der einen Seite importieren wir grosse Mengen teure pflanzliche Eiweisse, die nicht sehr ökologisch sind", sagt Maret. "Andererseits wird der Grossteil eines Rohstoffs verbrannt, den man beispielsweise zur Schweinezucht gebrauchen könnte."


Drakonische Bedingungen

In Frankreich haben Schweinemäster ihrem Minister die Zusage abgerungen, eine Anfrage bei der Europäischen Kommission einzureichen. Brüssel hat das Tiermehlverbot immer als Moratorium angesehen. Es hat 1,7 Millionen Euro gesprochen, um durch die Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Aufhebung des Verbots prüfen zu lassen.
Die neuen Tiermehle, umbenannt auf PAP, Englisch für "verarbeitete tierische Eiweisse", müssen sehr strikten Normen entsprechen. In der Schweiz hat das BVET fünf Bedingungen herausgegeben. Cathy Maret gibt zu, dass diese "die Produzenten vor Probleme stellen" könnten.

"Heute haben wir hunderte Mühlen, die abwechselnd Futter für Kühe, dann für Hühner, dann für Schweine produzieren. Das ist in Zukunft nicht mehr möglich", sagt Maret. "Es braucht ein Schlachthaus mit einer Abteilung nur für Schweine, ein Kochbetrieb, der nur Schweineabfälle kocht und eine Mühle, die nur Schweinemehl produziert."
Davon ist die Verarbeitungsindustrie noch weit entfernt. Das BVET vermutet, dass es "Jahre und den Willen der ganzen Branche" braucht, um dieses Ziel zu erreichen.


Stopp dem "Kannibalismus"

Zwei weitere Bedingungen der Schweizer Behörden für Tiermehl haben neben dem gesundheitlichen Aspekt eine philosophische Seite.
"Was die Bevölkerung beim Rinderwahnsinn am meisten geschockt hat, war der Umstand, dass den vegetarischen Kühen tierische Eiweisse gefüttert wurden, sogar von der eigenen Art", erinnert Maret. "Somit assen Kühe ihre Artgenossen."

Um die natürliche Ordnung besser zu respektieren und diesen "Kannibalismus" zu verhindern, soll das Tiermehlverbot für die pflanzenfressenden Tierarten aufrechterhalten bleiben. Und niemals mehr sollen einem Tier Abfälle der eigenen Art vorgesetzt werden.

Im Klartext: Mit den neuen Tiermehlen sollen nur Hühner und Schweine gefüttert werden. Schweine erhalten Hühnermehl und Hühner Schweinemehl.

Schliesslich sieht die fünfte Bedingung des BVET vor, dass eine Aufhebung des Verbots nicht vor einer solchen der Europäischen Union (EU) in Kraft gesetzt wird.

Im April hat BVET-Direktor Hans Wyss das Thema Tiermehl auf dem Blog seines Bundesamts lanciert - bis heute ohne Reaktion. Ganz anders in Frankreich: Dort hagelt es Kommentare auf den Sites der Zeitungen, die das Thema aufgegriffen haben. Der Grundton zeigt, dass Angst und Ablehnung immer noch vorherrschen.
Für jene, die wie Cathy Maret den Entscheid an die Konsumentinnen und Konsumenten werden "verkaufen" müssen, gibt es also noch eine Menge Arbeit.



Quelle: Radio SRI/ swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub).


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