Die Hausherrin der Villa Flora und ihre Künstler

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Die Villa Flora in Winterthur ist heute ein Museum. Bild: swissinfo.
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Hedy Hahnloser, gemalt von Felix Vallotton. (Hahnloser/Jäggli Stiftung; aus dem Buch "Revolution beim schwarzen Kaffee")

Wer war die Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts den skandalträchtigen Künstler Felix Vallotton in der Schweiz salonfähig machte? Ein neues Buch porträtiert Hedy Hahnloser, Sammlerin und Mäzenin in der Villa Flora in Winterthur.

 

Susanne Schanda

27:09:2008

 

Über den Namen Hahnloser stolpert schon, wer auf dem Weg zur Villa Flora einen Abstecher ins Kunstmuseum Winterthur macht. Zahlreiche Leihgaben und Schenkungen von Emil und dem Ehepaar Arthur und Hedy Hahnloser hängen an den Wänden: Felix Vallotton, Pierre Bonnard, Ferdinand Hodler, Vincent van Gogh.

Es sind die grossen Namen der Kunstgeschichte um die Wende zum 20. Jahrhundert, viele französische Künstler, die von Hedy Hahnloser und ihrem Mann Arthur in die Schweiz geholt wurden. Zusammen mit den Sammlungen Reinhart und Bühler begründeten sie den Ruf Winterthurs als Zentrum der Kunst, das über die Grenzen der Schweiz ausstrahlte.

Jeweils am Dienstagnachmittag versammelte sich eine Runde von aufgeschlossenen Kunstfreunden bei Hedy Hahnloser in der Villa Flora zum schwarzen Kaffee und zu hitzigen Kunstdebatten. Mit mutigen Vorstössen krempelten sie die konservative Kulturpolitik der Stadt um, wie Bettina Hahnloser, eine Urenkelin der Sammlerin und Mäzenin, in ihrem Porträt "Revolution beim schwarzen Kaffee" schreibt.

An der Tösstalstrasse, umgeben von einem prächtigen Garten, liegt die repräsentative Bürgersvilla, in der Hedy und Arthur Hahnloser von 1907 bis 1930 ihre bedeutende Kunstsammlung aufbauten. In der jetzigen Ausstellung blicken die Sammler von Porträts im Entrée auf die Besucher - gemalt von ihrem Lieblingskünstler Felix Vallotton.


Anstössiger Akt in der Bibliothek

Das Ehepaar besuchte den schweizerisch-französischen Maler 1908 zum ersten Mal in seinem Atelier in Paris. Aus dieser Begegnung entstand eine jahrzehntelange Freundschaft. Besonders Hedy fühlte sich ihm in seinem schwierigen und verschlossenen Charakter seelenverwandt. Vallotton verbrachte oft Wochen und Monate in der Villa Flora.

Über abgetretene Teppiche auf Parkettböden gelangt man durch den Salon mit dem graphischen Werk Vallottons in die Bibliothek, wo auf braun gemusterter Tapete eines der Prunkstücke der Sammlung hängt: "La femme au perroquet", ein Akt von Felix Vallotton, der in seiner Zeit als anstössig galt.

"Dieser Kauf war mutig und ungewöhnlich", kommentiert die Kuratorin Angelika Affentranger, die gerade die nächste Ausstellung für die Villa Flora vorbereitet. "Weil Hedy Hahnloser den grossen künstlerischen Wert in diesem Bild erkannte, verteidigte sie es gegen viele Zweifler und kurbelte so die Vallotton-Rezeption in der Schweiz an."

Hedy Hahnloser, die selbst eine künstlerische Ausbildung genoss und später kunsthandwerklich tätig war, schrieb zahlreiche Artikel für Kunstzeitschriften und schliesslich ein umfangreiches Buch über Leben und Werk Felix Vallottons.

 

Gegenpart Pierre Bonnard

Ein enger Freund Vallottons und doch ein radikal gegensätzlicher Charakter war der Franzose Pierre Bonnard, der von Hahnlosers ebenso geschätzt und gesammelt wurde. Beide gehörten der Gruppe der Nabis an, einer Künstlergruppe des Nachimpressionismus, bei der Linien, Formen und Farben als wichtiger eingeschätzt wurden als die naturalistische Wiedergabe einer Landschaft oder eines Körpers.

Dennoch unterschieden sich die Werke der beiden Künstler. "Während Vallotton vom Graphischen herkommt und seine Bilder etwas Plakatives haben, ist Bonnard ein genuiner Maler, der seine Bilder nicht aus der Linie, sondern aus dem Farbflecken heraus entwickelt", sagt Affentranger.

 

Die Grenzen der Sammlerin

So mutig und kühn sich die Sammlerin für Vallotton, Bonnard und andere Künstler der Nabis engagierte, so entschieden stellte sie sich gegen Expressionisten wie Ludwig Kirchner, der damals beim Kunstverein Winterthur hoch im Kurs stand.

"Hedy Hahnloser wählte Kunst im Hinblick auf ihre Sammlung der Villa Flora aus", erklärt Affentranger. "In diesem Interieur, auf diesen dunklen Tapeten kann man sich nur schwerlich einen Kirchner oder Picasso vorstellen." Aber sicher seien ihr diese Künstler überhaupt wesensfremd gewesen: "Die expressive Ausdrucksart, auch das gesellschaftskritische Moment gingen ihr wohl zu weit."

Sie verstand sich selbst als bürgerliche Frau ihrer Zeit. Wenn sie auch einen sehr bestimmenden Charakter hatte und in der Villa Flora als graue Eminenz die Fäden zog, war sie doch keine Feministin. "An den privaten Treffen beim schwarzen Kaffee wirkte sie aktiv mit, aber nie in der politischen Öffentlichkeit", sagt die Kuratorin.

Die Chance der Villa Flora als Museum sieht Angelika Affentranger in ihrer Einzigartigkeit. "Sie ist das Gegenteil von einem White Cube, nicht austauschbar, sondern über Generationen gewachsen und dennoch nicht verstaubt. Sie lebt."

 

Quelle: Radio SRI/ swissinfo.  


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