Eine Frau – ein Wort: mein Preis für das Frauenstimmrecht (2)

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Gleiches (Wahl-)Recht für alle.
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Wählen zu können erschließt neue Dimensionen.

Dieses ist der zweite und letzte Teil der Reportage von Vreni Fehr-Hegglin. Zum ersten Teil gelangen Sie hier und ostschweizerinnen.ch freuen sich auf Ihre Erfahrungen und Berichte zum Frauenstimmrecht und zur Frauenemanzipation.

Das Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts vor vier Jahrzehnten wurde und wird in allen Medien gewürdigt und der lange politische Weg beschrieben. Für mich persönlich war die legendäre Zustimmung der Schweizer Männer am 7. Februar 1971, den Frauen das Wahl- und Stimmrecht zu gewähren ein ganz besonderer Tag. Ich war damals eine junge, selbständige Single-Frau, politisch interessiert und emanzipiert.

 

Vreni Fehr-Hegglin

28:04:2011

 

Ja und dann war er da, dieser Abstimmungssonntag vom 7. Februar 1971 und – auch wenn meine Wohngemeinde, mein Wohnbezirk – die Vorlage klar ablehnten, der Kanton Aargau hat sie – wenn auch sehr knapp angenommen, ein sogenanntes Zufallsmehr 39 469 Ja gegen 37‘776 Nein!

 

Dieses schwache Resultat tat meiner grossen Freude keinen Abbruch. Für mich war natürlich klar, dass ich nun mein Versprechen, diesen freiwilligen Eintritt in die Schweizer Armee, einlösen musste. So meldete ich mich beim Schweizerischen Frauenhilfsdienst FHD in Bern an, wurde zu Eignungsprüfungen aufgeboten und rückte für die vierwöchige RS in Kreuzlingen ein. Ich leistete Dienst bis ich mein zweites Kind erwartete und bin dann mit meinem kleinen Sohn an der Hand ins Zeughaus Aarau gepilgert, um meine Effekten und die Uniform vorschriftsgemäss abzugeben.

 

Wie sehen die Befürworter und Gegner die Situation heute

Heute können es meine Brüder eigentlich gar nicht mehr begreifen, dass sie sich damals so vehement gegen dieses Grundrecht für die Frauen wehrten. Mein Bruder Peter meinte auf meine Nachfrage, ob er sich heute eine Schweiz ohne Frauenstimmrecht noch vorstellen könnte: „Sicher nicht, eigentlich kann ich mir meinen damaligen Widerstand gar nicht mehr erklären. Das Frauenstimmrecht gehört doch einfach zu unserer Demokratie.“

Er war übrigens anschliessend viele Jahre beruflich im Ausland tätig und hat selbst keinen Militärdienst mehr geleistet. Aber dafür hat ja seine Schwester jeweils den Militär Rucksack gepackt und ist bei den Fliegerabwehrtruppen eingerückt! Mein jüngerer Bruder Felix hat eine sehr emanzipierte Frau geheiratet. Als ich beiden die Frage stellte, ob sie sich eine Schweiz ohne die aktive Beteiligung der Frauen in der Politik heute noch vorstellen könnten meint meine Schwägerin spontan: „Ich wusste gar nicht, dass mein Mann in jungen Jahren so eine konservative Phase hatte! Ob ich ihn wohl geheiratet hätte, wenn ich das realisiert hätte?“

Aber seine Meinung zu revidieren gehört ja zur Entwicklung des Menschen, das bestätigte denn auch Bruder Felix: „Für mich macht meine damalige Position keinen Sinn mehr, ich bin dankbar, wenn wir heute in der Gemeinde und im Kanton Frauen finden, die sich politisch engagieren.

Dass diese Frauen dazu nur bereit sind, wenn sie die Mitbestimmung auf allen Ebenen haben, das ist für mich heute klar.“ Bleibt noch die Rückfrage bei meiner Schwester. Vor der Abstimmung 1971 hat sie deklariert, „sie könne durchaus mit einem Nein zum Frauenstimmrecht leben“. „Ich würde heute sofort in einem Aktionskomitee für die Einführung des Stimmrechts mitmachen, wenn wir es nicht hätten. Das Leben hat mich gelehrt, dass man nur bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, wenn man auch ein Mitspracherecht hat“ sagt sie bei meiner Rückblickbefragung.

Dass diese politische Frage damals auch in anderen Familien zu grossen Auseinandersetzungen führte, bestätigt mir eine befreundete erfolgreiche Geschäftsfrau: „Ich habe mich mit meinem Vater richtiggehend überworfen. Ich warb mit meinem einjährigen Sohn im Kinderwagen für die Verfassungsänderung.

Mein Vater warf mir an den Kopf: Die „Weiber gehören ins Haus an den Herd, das Bestimmen der Politik überlasst ruhig den Männern, die verstehen etwas davon“. Mit meinem Vater habe ich mich erst viele Jahre später wieder versöhnt.“

 

Die Frauenrechtskämpferin Marthe Gosteli

Ich wurde auf dieses spannende Frauenleben im Zusammenhang mit dem 40-jährigen Jubiläum zur Einführung des Fraustimmrechts in der Schweiz aufmerksam. „Die Geschichte des Kampfes um das Frauenstimm- und -wahlrecht in der Schweiz ist eine Leidensgeschichte, leider.“

Diese Aussage machte Frau Gosteli 2008 in einem Referat zur Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Bern. 1971 stand die bürgerliche Politikerin an der Spitze der Frauenorganisationen und ihren Verhandlungen mit dem Bundesrat ist es mitzuverdienen, dass die Schweizerinnen seit Februar 1971 an die Urne gehen können. 53 Jahre musste Marthe Gosteli auf diesen Moment warten.

Auch seither hat sich diese Pionierin für die Gleichstellung eingesetzt und die ganze Geschichte in einem Archiv dokumentiert. (Rundschau DRS vom 9.2.2010).Gosteli ist eine ausgesprochen gerechte Frau. Sie macht für diesen langen „Leidensweg“ keineswegs nur die Männer verantwortlich. In einem Interview mit Marthe Gosteli mit dem Moderator Urs Leuthard, DRS: „Erziehung hatte einen grossen Einfluss auf die Männer und die Buben und diese wurden ja auch von den Frauen mitverantwortet! Die rechtliche Stellung der Frauen war wirklich um einiges schlechter. Das Ziel ist noch nicht erreicht.

Es müssen noch viele rechtliche Verbesserungen erreicht werden zum Beispiel gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Mein grösstes Anliegen ist, dass die Geschichte der Frauenbewegung international insbesondere aber in der Schweiz in den Schulen, den Schulbüchern Eingang findet. Missstände, Missverständnisse könnten mit Bildungen ausgeräumt werden.

Viele junge Frauen haben heute keine Ahnung, was ihre Vorgängerinnen für sie getan haben. Sie könnten vieles von ihnen lernen, auch politisch.“ Ich persönlich bin allen Männern und Frauen, die damals mitgekämpft haben noch heute dankbar. Ich habe später auch aktiv in der Politik mitgearbeitet und hoffe, dass auch meine Tochter in irgendeiner Form diesen Weg gehen wird.


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