Wiedergutmachungsinitiative unterschreiben

19:09:2014

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Bernadette Gächter
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Betroffene auf dem Bundesplatz

Jolanda Spirig: Widerspenstig – zur Sterilisation gedrängt: die Geschichte eines Pflegekindes, Chronos Verlag, Zürich 2006

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Kinder auf Schweizer Dorfplätzen versteigert, zur Kinderarbeit gezwungen, misshandelt und missbraucht. Bis 1981 wurden in der Schweiz Tausende ohne Gerichtsbeschluss weggesperrt, Frauen unter Zwang sterilisiert oder zur Abtreibung gezwungen, Kinder gegen den Willen ihrer Mütter zur Adoption freigegeben oder in Waisenhäuser platziert. Auch im Kanton St. Gallen. Noch leben die Betroffenen unter uns.

 

Medienmitteilung

 

Eine der Betroffenen, die Rheintalerin Bernadette Gächter, war diese Woche im St. Galler Frauenarchiv zu Gast, und zwar als Protagonistin von Jolanda Spirigs Buch «Widerspenstig– zur Sterilisation gedrängt». Mit der Entschuldigung von Bundesrätin Sommaruga und der Lancierung der Wiedergutmachungsinitiative hat ihre Biografie neue Aktualität erlangt.

Nach einer bewegenden Lesung stellten sich Bernadette Gächter und Jolanda Spirig der Diskussion. Und so beschlossen die Anwesenden spontan, einen Aufruf zu machen zur Unterstützung der Initiative «Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen».

Der Unterschriftenbogen zum Unterschreiben ist auf folgendem Link zu finden: http://www.wiedergutmachung.ch/de/unterschreiben/



Widerspenstig


Die 1954 geborene Bernadette Gächter kam als Kleinkind zu einer streng katholischen Pflegefamilie nach St. Margrethen. Mit sieben Jahren zweifelten ihre Pflegeeltern an ihrem Charakter und liessen sie von einem Psychiater untersuchen. Dieser attestierte dem Mädchen ein «infantiles hirnorganisches Psychosyndrom» (heute als Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADS bekannt). Mit 18 Jahren wurde Bernadette Gächter schwanger, was einen Skandal in der Pflegefamilie auslöste. In der Folge reagierten Vormund, Pfarrer und Hausarzt. Letzterer kam in einem Gutachten zuhanden der Psychiatrischen Klinik Wil zum Schluss, dass Bernadette Gächter «mit ihrer abnormen Veranlagung» nicht in der Lage sei, ein Kind grosszuziehen und empfahl neben einer Abtreibung die Sterilisation der jungen Frau. Pflegeeltern, Hausarzt und der Klinikdirektor setzten sie so stark unter Druck, dass Bernadette Gächter schliesslich in den Eingriff einwilligte. Später versuchte sie mit zwei Operationen erfolglos, die Sterilisation wieder rückgängig zu machen. Bernadette Gächter blieb zeitlebens kinderlos.





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