Das Polarlicht ist eine Diva - launisch und unberechenbar.

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Breivikeidet, NordNorwegen März 2012.
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Ersfjord bei Tromsö, NordNorwegen März 2012. Bilder: Othmar Fräfel.

Mythologie

 

Es wundert nicht, dass die Menschen der nordischen Kulturen glauben, diese geheimnisvollen Zeichen würden von Geister-oder Götterhand an den Himmel gezeichnet. Die Inuit haben sie voller Ehrfurcht und auch Schrecken beobachtet und die Legenden sagen, dass sie glauben, die Seelen ihrer Vorfahren würden da über den Himmel flackern. Im Mittelalter galten sie als Boten von Unheil und Kriegen, Krankheit und Seuchen.  

 

Entstehung des Polarlichts

 

Was wir Sonnenwind nennen, sind in Wirklichkeit Protonen und Neutronen, die in einer Geschwindigkeit von mehr als einer Million km/h, fast „lichtschnell“, von der Sonne weggeschleudert werden. Diese Massenauswürfe haben ihren Ursprung in der heissen Corona der Sonne und sind so energiegeladen, dass das Magnetfeld der Sonne sie nicht halten kann.

Als Sonnenstürme rasen sie durchs All und brauchen 2-4 Tage bis sie unseren Planeten erreichen. Wo die Sonnenwinde auf das Erdmagnetfeld treffen, bildet sich eine Art Bugwelle, wie bei Schiffen, die das Meer durchpflügen. Diese „Stossdämpfer“ wenden die stürmischen Sonnenwinde zuerst einmal ab und leiten sie zu den Polen.

Die Schockwelle der Teilchenwolke prallt auf das Erdmagnetfeld und verformt dieses. Ein Teil der geladenen Teilchen bewegt sich entlang des Magnetfelds, das an den Polen zur Oberfläche hin geöffnet ist, und löst Polarlichter, die nächtlichen Aurora aus.

Polarlichter, in der Nordhemisphäre auch Nordlicht beziehungsweise Aurora Borealis genannt, sind nach der Sonne die zweitstärkste Lichterscheinung auf unserem Planeten. Diese prachtvollen Farbschauspiele am nächtlichen Winterhimmel werden ausgelöst, wenn ein Sonnensturm die Erde erreicht. Das Polarlicht gilt als eines der grössten Naturschauspiele unserer Erde und ist ein elektromagnetisches Phänomen, das sich in atmosphärischen Höhen von 60 bis 300 km abspielt. Eine stark erhöhte Sonnenaktivität ermöglichte anfangs März 2012 grandiose Polarlichtsichtung.

 

Zita Fräfel-Noser

23:03:2012

 

Inmitten einer Gruppe warm eingemummter FotografInnen stehe ich in einer Winternacht in NordNorwegen. Vor mir ein malerischer Fjord, die mondbeschienen weissen Zacken einer Bergkette oder ein malerisches Flüsschen im Hochtal. Über mir beginnt ein atemberaubendes Schauspiel.

 

Derwische am Himmel

Aus dem Nichts entfaltet sich plötzlich ein grüner Fächer. Wie von Zauberhand an die grosse Himmelsleinwand geworfen, winden sich grüne Bögen, drehen sich zu Kringeln. Vorhängen gleich fällt das Licht lautlos vom Himmel. Flatternde Bänder mit rot-violetten Säumen huschen über den Horizont. Dann wieder schiesst das grüne Licht wie der vielteilige Schweif eines riesenhaften Kometen vom Winterhimmel. Sterne und Milchstrasse bilden einen faszinierenden Hintergrund für die tanzenden Irrlichter. Derwischen gleich wirbeln sie über unseren Köpfen. Dann kehrt Ruhe ein.

 

Wir warten. Stunde um Stunde läuft nichts. Die Bedingungen sind eigentlich optimal: freie Sicht nach Norden, sternenklarer Nachthimmel und hohe Sonnenaktivität. Alles bereit bzw. vorausgesagt. Aber nichts zeigt sich.

Wie kann das sein? Das Nordlicht ist eine launische Himmelserscheinung und will nicht immer so wie wir Menschen. Eine Sichtung muss mit viel Geduld und Durchhaltevermögen, sowie Wetterfestigkeit verdient werden. Die Nordausrichtung des Standplatzes als wichtiger Faktor bei der Polarlichtjagd kann noch gewählt werden, die Kleidung auch. Die muss sehr warm sein, denn die Sicht ist bei Minustemperaturen am klarsten.

 

Himmelsbühne frei für die Primadonna

Dann aber ist die Gunst von Mutter Natur gefragt: schönes Wetter, wolkenfreier Himmel, Sonnenaktivität, die in der Nacht ihren Höhepunkt hat und Aktivität, die sich dann auch zeigt. Dies ist die bedeutendste unberechenbare Grösse in diesem „Spiel“. Dass all die genannten Faktoren gleichzeitig eintreffen, ist nicht einfach so gegeben. Das Nordlicht ist eine echte Primadonna. Es ist launisch und unberechenbar, oft ziert es sich, macht sich rar.

 

Dann wieder überrascht die Diva alle und betritt die Bühne unverhofft, entfaltet ihre Pracht entgegen aller wissenschaftlichen Voraussagen wie z.Bsp. am 14.Februar dieses Jahres. Aus (bisher) unerklärlichen Gründen und laut Fachleuten völlig unerwartet, schüttelte eine magnetische Störung das Erdmagnetfeld durch. Die Schockwelle fand einen Spalt in der Abwehr unseres Planeten. Sonnenwind drang ein und entflammte die Auroras zu einer selten gesehenen Stärke und Schönheit.

Mit ihren Kapriolen kann die Diva auch Störungen und Schwankungen in Stromnetzen und Funkverbindungen im Flugverkehr bewirken, Telekommunikations- und andere Satelliten bremsen und ihre Bahnstabilität beeinträchtigen. Ist die Primadonna Aurora jedoch gut gelaunt, kann Unvergleichliches erlebt werden. Magisch und geheimnisvoll ist die Lichtshow.

 

Mit von der Partie: Frau Luna

Wenn dann im Zenit des nächtlichen Winterhimmels plötzlich sogenannte „coronas“ explodieren, in einer ungewohnten Pracht sich immer neue Formen und Farben präsentieren, denkt niemand ans Nachhausegehen. Fast ausserirdisch schön wird es, wenn die Lichtspiele in einer Nacht mit Vollmond stattfinden. Dann beleuchtet dieser die vor Kälte strotzenden Berge und bringt die Schneekristalle zum Glitzern.

 

Die funkelnden Diamanten der Natur stehen der Diva gut an. Manchmal setzt erst der anbrechende Tag dem Spektakel ein Ende. Die unermüdlichen BetrachterInnen, die ausgeharrt haben, um das unglaublich faszinierende Schauspiel der tanzenden Funkenwolken zu erleben, können ihren verdienten Schlaf einziehen. Vielleicht geistern die geheimnisvollen Lichter noch durch ihre Träume.

Passend wäre es, denn die ehrfurchtsgebietende Schönheit dieser Himmelserscheinung vor Ort mitzuerleben ist traumhaft und ein Leben lang unvergesslich.


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