Blaue Stunde und Morgenröte : Magische Zeiten in der Wüste

Bildaufnahme mit dem inneren Auge

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Zwielicht - zwischen Tag und Traum.
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Aurora - die Göttin der Morgenröte.
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Weisse Wüste; Fotos Othmar Fräfel.

Die Weisse Wüste Ägyptens, ca. 500 km südwestlich von Kairo, ist seit 2002 ein Nationalpark. Grosse Sanddünen, Skulpturen aus Kreidekalk, lehmartige Hügel, Geröllwüste, endlose Sandfelder und weite Horizonte  faszinieren die Wüstenreisenden. Weisser Kreidekalk gibt der Wüste ihren Namen.

Die blaue Stunde – der magische Augenblick bevor die Dunkelheit der Nacht anbricht, der Tag noch in der Schwebe ist, das ist die Zeit, die die Umgebung mit faszinierenden und geheimnisvollen Blautönen hinterlegt. Ein spezieller Zeitraum, dieses Nachglühen des Tages; berührend, beruhigend, bereichernd. Das Leben verliert hier seine Flüchtigkeit.

 

Zita Fräfel-Noser

14:06:2012

 

Wer die Zwischenzeit zwischen Licht und Dunkelheit in der Wüste schon erlebt hat, versteht, dass  Fotografinnen und Fotografen mit Vorliebe in dieser Zeit zu Werke gehen. Sie eignet sich vorzüglich, in ihren Bildern den Betrachtenden ein Gefühl von Einsamkeit und Leere zu vermitteln. Die Faszination der Wüste erschliesst sich in der Stille und den besonderen Lichtphänomenen, das habe ich auch als Nicht-Fotografierende erleben dürfen. Nach Sonnenuntergang an einem schönen Ort zu sitzen und die Stille der Wüste langsam einsickern lassen, das heilt die Seele, schärft den Sinn für Wunder. Hörst Du die Stille? Fühlst Du die Schönheit?

Einmal im Leben in der Wüste unter freiem Himmel übernachten, das war ein Wunsch, den ich mir in meinem Leben noch erfüllen wollte. Nur wie bewerkstelligen, wenn Jeep, Zelt, Schlafsack, Kocher, einfach jegliche Ausrüstung und Erfahrung  fehlt? Eine Fotoreise machte es möglich. Während die „Fotoprofis“ sich ins Zeug legten, genoss ich die freien Zeiten, um in Musse die Schönheit und Erhabenheit der Natur zu geniessen.

 

Zwischenzeiten - Zwischenwelten

Es ist die vielgestaltige Grenzwelt, die mich hier in der Wüste besonders  fasziniert. Sie findet sich im Übergang von Tag und Nacht, von Sand- zur Steinwüste, von Schatten zu Licht, von Fläche zu Struktur. Die Bildaufnahme mit dem inneren Auge lebt, ist nie statisch, sie verändert sich mit jedem Atemzug, jedem nochmaligen Hinschauen, mit jedem Schritt.

Auch die Grenzzeit zwischen Tag und Nacht am Morgen ist voller Faszination. Wenn die Morgenröte sich ankündigt, „die Welt noch zeitlos ruht“[1], bringen sich die Fotografinnen und Fotografen in Position, fahren die Stative aus, schrauben an ihren Objektiven, während ich auf meinem Platz genüsslich dem Aufsteigen der Sonne entgegen sehe.

Mit dem ersten Licht erscheinen die Umrisse der Kreidekalkskulpturen, heben sich ab vom goldenen Horizont. Später färbt das weiche Morgenlicht sie crèmefarben, dann ockergelb, bis sie im vollen Sonnenlicht  „weiss wie  Schnee“ erstrahlen. Die Vielfalt der Formen, Grössen, Anordnung ist unendlich, unendlich schön, wie es auch die Wüste ist.  

 

[1] Mano Dayak „Geboren mit Sand in den Augen“, Unionsverlag, 1998


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